Biathlon

„Ich glaube fest an Laura“

Olympiasiegerin Uschi Disl spricht im Interview über ihre bewegte Karriere, den perfekten Ski und die hohen Erwartungen an Rekord-Weltmeisterin Laura Dahlmeier.

03.02.2018

Von MANUELA HARANT

Die ehemalige Biathletin Uschi Disl im Jahr 2015. Foto: Henning Kaiser/dpa

Die ehemalige Biathletin Uschi Disl im Jahr 2015. Foto: Henning Kaiser/dpa

Ruhpolding. Exakt um 12.30 Uhr trifft Uschi Disl am vereinbarten Treffpunkt ein Wie schon zu aktiven Zeiten ist die deutsche Rekord-Olympiateilnehmerin im Bathlon auch heute noch die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit in Person. Und ihre Augen beginnen gleich zu Strahlen, als sie – mitten im Terminstress zwischen Interviews und Sponsorenterminen einen Kaffee gereicht bekommt. „Das ist jetzt ein Segen“; sagt die zweifache Mutter. Und legt voller Elan los.

Frau Disl, was trauen Sie dem deutschen Team in Pyeongchang zu?

Uschi Disl: Ich wünsche ihnen eine Menge Medaillen. Ich glaube fest an Laura und bin ziemlich sicher, dass sie eine oder mehrere Medaillen holen wird. Aber auch Denise Hermann hat super Chancen, wenn es an einem Tag läuft. Die Damen-Staffel sehe ich in der Favoritenrolle. Simon Schempp genauso, wenn er seine gesundheitlichen Probleme in den Griff kriegt. Und selbst der Neuling Roman Rees kann bei seiner Premiere was holen – im Biathlon ist alles möglich.

Wie werden Sie die Spiele in Pyeongchang verfolgen?

Natürlich im Fernsehen, soweit es zeitlich geht, oder zeitversetzt in der Mediathek – alles auf Schwedisch, versteht sich.

Was halten Sie vom offiziellen Medaillenziel des Deutschen Ski-Verbandes, im Biathlon fünfmal Edelmetall zu holen?

Im Profisport setzt man sich natürlich Ziele, aber es ist immer sehr schwierig, die Medaillenzahl vorherzusagen. Der Ahtlet macht sich selbst genügend Druck und es muss einfach an so einem Tag alles zusammenpassen. Der Sportler schaut daher lieber nur von Wettkampf zu Wettkampf.

...eine Stärke, die Sie zu Ihren erfolgreichen Zeiten auch ausgezeichnet hat. Wie kam es eigentlich, dass Sie schon als Teenager in der 80er-Jahren vom Langlauf zum damals weniger populären Biathlon gewechselt sind?

Als ich begonnen habe, Langlauf professionell zu betreiben, kam auch gerade der Biathlon auf. Und hier konnte man skaten, während im Langlauf nur klassischer Stil angesagt war. Und nachdem ich kein großer Klassisch-Fan war und mir das Skaten immer schon besser gefallen hat, war für mich schnell klar, dass ich Biathlon mache. Und dann hat mir natürlich auch die Kombination aus Laufen und Schießen sehr viel Spaß gemacht...

Sie haben die komplette Entwicklung des Damen-Biathlons von den Anfängen bis zur Fensehsportart Nummer eins mitgemacht. Was hat sich erändert in den 16 Jahren Ihrer aktiven Karriere?

Anfangs hatten wir zwar keine Zuschauer und weniger Stress um die Rennen herum. Das kann man mit der heutigen Professionalität gar nicht vergleichen. Nach und nach kamen dann immer mehr Zuschauer, das Fernsehen kam, die Termine wurden mehr und dadurch natürlich auch der Druck der Öffentlichkeit. Aber insgesamt fand ich es schön, diese Entwicklung mitzuerleben.

Haben Sie den Medienrummel auch mal als zu viel empfunden?

Oh ja. Natürlich ist es schön, wenn einen Leute erkennen und einem zujubeln. Aber wenn es dann zu viel wird und sowohl von den Medien als auch vom Umfeld jeder was von einem will, da fühlt man sich richtig belagert. Man muss das ja auch als junger Mensch erst einmal lernen und verarbeiten. In Antholz saß ich einmal im Hotelzimmer und hab das Heulen angefangen, weil ich einfach nervlich so fertig war. Das war einfach zu viel.

Wie kam es dann zu dem Entschluss, die Karriere trotz Olympia-Bronze in Turin 2006 zu beenden?

Naja, in Turin war ich immerhin schon 35 Jahre alt. Auch hatte ich inzwischen den Mann meines Lebens kennengelernt. Da war schnell klar: Der ist der Richtige, jetzt wird es Zeit aufzuhören und eine Familie zu gründen. Außerdem wollte ich aufhören in einer Zeit, in der ich noch gut bin. Ich habe 2005 noch zwei Weltmeistertitel geholt, habe 2006 Olympia mitgenommen, also das hat geklappt, denke ich.

Konnten Sie Ihre Langlauf- und Biathlonbegeisterung auch an Ihre Kinder weitergeben?

Ja, beides. Mein Sohn ist sieben Jahre alt und macht Langlauf, meine Tochter ist elf und macht schon Biathlon, sogar mit Kleinkalibergewehr. Das sehe ich persönlich gar nicht so gerne. Ich finde das etwas gefährlich, aber die anderen Eltern müssen immer dabeistehen und aufpassen. dass nichts passiert. Sie müssen vorher sogar einen kleinen Lehrgang in Waffenkunde machen.

Sie auch?

Nein zum Glück nicht. Mir hat man dann doch geglaubt, dass ich mit der Waffe umgehen kann.

Hat Ihre Tochter Ambitionen, in den Leistungssport einzusteigen?

Wie gesagt, sie ist ja erst elf Jahre alt, und sie sieht das einfach als netten Sport. Aber sie schaut es jetzt auch im Fernsehen und ist mittlerweile richtig Biathlon-fanatisch. Aber von uns gibt es definitiv keinen Druck. Hauptsache die Kinder machen Sport.

Und welche Sprache wird im Hause Disl gesprochen?

Bayrisch und Schwedisch natürlich. Außer mein Sohn, der will nicht bayrisch reden und spricht generell nur schwedisch mit mir.

Ihr Mann ist Skitechniker, betreut regelmäßig skandinavische Profiteams. Wie gut sehen Sie die deutsche Mannschaft aktuell in Sachen Material aufgestellt?

Deutschland ist zum Leidwesen der Norweger und Schweden wirklich sehr gut aufgestellt. Das wird auch durch die Erfolge untermauert. Die Deutschen haben momentan wirklich extrem gute Ski. Und das ist schön.

Wie viel macht bei der Leistung des Biathleten eigentlich der Ski aus?

Ich würde sagen, mehr als 50 Prozent. Die Form holt man sich im Sommer, indem man wahnsinnig viel trainiert, aber dann kommt der Winter. Da ist man hoffentlich fit. Aber um das Ganze zu optimieren, spielt der Ski dann eine riesige Rolle. Ohne einen guten Ski wirst Du nie einen Wettkampf gewinnen, das geht nicht. Egal wie gut Du vorher trainiert hast.

Wie wichtig ist dann das Vertrauen in das Material?

Sehr, sehr wichtig. Ich zum Beispiel bin immer auf dem Fischer-Ski gelaufen und würde niemals auf einem anderen laufen. Jeder Athlet muss für sich den Ski finden, der für sich optimal ist. Für meinen Laufstil war dieser Ski der einzig richtige.

Was bedeutet das konkret?

Ich bin mehr mit dem Oberkörper nach vorne gebeugt gelaufen, und dafür gab mir der Fischer-Ski den besten Vortrieb. Den habe ich mit meiner Technik immer super zum Laufen gebracht. Dabei muss man wissen: Kein Ski ist gleich, nachbauen ist schwierig. Wenn man mal einen Ski hat, der läuft, dann behält man den auch. Der kommt auf gar keinen Fall weg.

Ist da nicht auch viel Psychologie bei der ganzen Material-Sache dabei?

Naja, ich weiß nur: Wir hatten in meinen letzten aktiven Jahren einen richtigen Stab an Technikern, und da hatte ich immer einen guten Ski. Das ist unglaublich, wenn man zusammen mit den Konkurrenten die erste Abfahrt hinunterfährt und man fährt den anderen weg – das war der optimale Beginn für einen Wettkampf. Kurzum: Wenn man gemerkt hat, die Ski laufen, dann lief auch der Wettkampf gut.

Die Leistung muss natürlich dennoch passen. Haben Sie einen Tipp für Laura Dahlmeier, die ausgerechnet in der Olympia-Saison nicht mehr so dominant aufgetreten ist wie im Jahr zuvor?

Jeder Athlet ist anders, und in der Zwischenzeit ist Laura ja wieder ganz vorne angekommen. Auch habe ich das alles nicht so extrem gesehen wie die Öffentlichkeit. Wenn einen so ein Infekt erwischt, dann dauert es einfach, bis alles wieder passt. Wenn Laura sich auf sich selbst konzentriert und fit ist, dann werden wir sicher auch in Pyeongchang viel Freude an ihr haben.

 Uschi Disl in Aktion: Typisch war ihr Laufstil mit stark nach vorne gebeugtem Oberkörper. Foto: Sven Nackstrand/afp

Uschi Disl in Aktion: Typisch war ihr Laufstil mit stark nach vorne gebeugtem Oberkörper. Foto: Sven Nackstrand/afp

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Erstellt:
03.02.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 45sec
zuletzt aktualisiert: 03.02.2018, 06:00 Uhr

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