Olympia

„Ich bin gespannt auf Kims Girlband“

Eurosport-Kommentator Sigi Heinrich über die Exklusiv-Berichterstattung seines Senders, seine persönlichen Medaillenfavoriten und die Erwartungen an Gastgeber Südkorea.

08.02.2018

Von MANUELA HARANT

Sigi Heinrich kommentiert bei Olympia in Pyeongchang neben der Eröffnungs- und Schlussfeier die Biathlon- und Eiskunstlauf-Wettbewerbe. Foto: Joachim Hahne

Sigi Heinrich kommentiert bei Olympia in Pyeongchang neben der Eröffnungs- und Schlussfeier die Biathlon- und Eiskunstlauf-Wettbewerbe. Foto: Joachim Hahne

Pyeongchang. Weil sich der internationale Fernsehsender Eurosport unter dem Dach des Discovery-Konzerns die Übertragungsrechte an den Olympischen Spielen gesichert hat, berichtet Kommentatoren-Legende Sigi Heinrich aus Pyeongchang noch prominenter als bisher. Und so weiß der 64-Jährige, dass sich die Zuschauer schon bei der Eröffnungsfeier der Winterspiele auf einiges gefasst machen können. Aus deutscher Sicher traut er den alpinen Skirennläufern einiges zu.

Herr Heinrich, wie fühlt es sich an, die neue Nummer 1 der Olympia-Berichterstattung zu sein?

Sigi Heinrich: Nicht nur das Renommee des Senders, sondern auch das Interesse an uns ist gestiegen. Alle, die bei Olympia nun mit dabei sind, sind aus einem gewissen Schatten herausgetreten, sind für die Öffentlichkeit interessanter geworden und drehen jetzt intensiver mit am großen Rad. Das macht natürlich noch mehr Spaß, wenn man weiß, dass man ernst genommen wird.

Wie werden Sie die hohen Erwartungen befriedigen?

Wir werden so viel von den Olympischen Winterspielen berichten wie nie zuvor – alleine im Free-TV 450 Stunden live. Dazu gibt es neue Formate, zum Beispiel zur Prime Time um 20 Uhr deutscher Zeit zeigen wir jeden Tag eine Olympia-Show, bei der es richtig rund geht mit hochkarätigen Studiogästen und Berichten aus dem Deutschen Haus. Der Zuschauer, der nach der Arbeit nach Hause kommt, kann sich so das ganz in Ruhe anschauen und ist in zwei Stunden komplett informiert – und unterhalten.

Sehen Sie den Verkauf der Sublizenzen an ARD und ZDF nicht kritisch?

Auf gar keinen Fall. Die gesamte Olympia-Berichterstattung ist dadurch in einem Maß gewachsen, wie nie zuvor. Der Zuschauer hat jetzt wirklich die totale Auswahl. Das ist auch unser Verdienst, keine Frage.

Ihren ersten Auftritt als Kommentator in Pyeongchang haben Sie bei der Eröffnungsfeier. Was dürfen die Zuschauer dort erwarten?

Sie wird farbenprächtig, bombastisch, asiatisch, zackig sein – wie man es von Korea kennt. Besonders gespannt bin ich auf die Girlband von Kim Jong-Un, die er angeblich selbst ausgesucht hat. Dann ist da ja noch der ganze Zirkus mit den Russen unter neutraler Flagge oder der gemeinsame Einmarsch von Nord- und Südkorea unter der Flagge der koreanischen Halbinsel. Das hat alles eine gewisse Symbolik.

Ist das schwieriger zu kommentieren als weniger brisante Feiern?

Nein, denn zum Glück gibt es auch die schönen Geschichten, wenn die kleinen Nationen die Fahnen schwenken, wie zum Beispiel Pita Taufatofua aus Tonga. Das ist ein Taekwondoka, der im Sommer in Rio war und jetzt als Langläufer nach Pyeongchang kommt. Oder die Tatsache, dass diesmal Sportler aus acht afrikanischen Ländern teilnehmen. Das ist unterhaltsam, und deshalb mache ich das ja so gerne. Und dann hoffe ich natürlich, dass sich alle an den olympischen Eid halten.

Damit spielen Sie wohl auf die Dopingmanipulationen der Russen an. Was halten Sie von ihrem Start unter neutraler Flagge?

Ich denke, das ist alles falsch angefasst worden. Ich verstehe, dass man dem einzelnen Sportler schwer nachweisen kann, dass er gedopt hat. Es ist angesichts der Faktenlage wahrscheinlich, eher sogar sicher – aber es ist ihm nicht nachzuweisen. Deshalb wäre die einzige Chance das nachgewiesene Staatsdoping zu verurteilen darin gelegen, Russland komplett zu sperren. Darüber hinaus ist es schade, dass im Vorfeld dieser Spiele wieder über Doping geredet werden muss statt über die Besonderheiten der Sportstätten, das Land und die Leute.

Welche Besonderheiten haben Sie hierzu bereits ausgemacht?

Da werden wir genug kuriose Geschichten sehen. Zum Beispiel bei der alpinen Abfahrt: Da ist kein richtiges Steilstück drin, da sind keine Gleitpassagen, sondern viele Kurven. Ein großes Thema wird auch die Präparierung der Ski sein – wegen der Nähe zum Meer. Da kann sich der Schnee von Tag zu Tag brutal verändern. Wer da verwachst, hat schon verloren.

Könnte das auch den deutschen Skirennläufern in die Karten spielen?

Na klar. Für mich ist Thomas Dreßen ein ganz heißer Tipp. Nicht nur, weil er Kitzbühel gewonnen hat, sondern auch, weil er bei den Übersee-Rennen gut war und seine Leistungen zuletzt in Garmisch bestätigt hat. Der kann richtig gut Skifahren. Die Deutschen haben sehr viel Kurven trainiert, so dass ich mir vorstellen kann, dass ihnen die Abfahrt in Pyeongchang liegt – übrigens auch Viktoria Rebensburg.

Kommentieren werden Sie aber unter anderem den Eiskunstlauf, wo die deutschen Hoffnungen auf Aljona Savchenko/Brunot Massot im Paarlauf ruhen. Zurecht?

Also, wenn sie nicht über ihre eigenen Beine fallen, bekommen sie ihre Medaille. Der Paarlauf ist eben international gesehen die schwächste Disziplin. Das heißt jetzt nicht, dass unsere beiden Deutschen schlecht sind. Aber es gibt relativ wenig hochkarätige Konkurrenz. Da haben wir ein chinesisches Paar, ein russisches, ein deutsches und ein kanadisches. Und diese Vier machen es unter sich aus.

Schauen Sie auch auf den Medaillenspiegel?

Ich persönlich bin überhaupt kein Fan von dieser Medaillenzählerei. Aber jeder Funktionär schaut ja jeden Tag drauf – und muss das wohl auch tun. Schließlich hängen am Ende viele finanzielle Zuwendungen von den Medaillen ab für die einzelnen Verbände. Und wenn dann wie in Sotschi die Bobfahrer nichts holen, dann ist bei uns gleich völlig Land unter. Wir Deutschen denken da schnell in schwarz-weiß und vergessen gerne mal, dass die Konkurrenz ja auch nicht schläft.

Andererseits macht der Medaillenkampf für viele den Reiz aus...

Natürlich, und ganz frei machen kann auch ich mich nicht davon, dass der vierte Platz der erste Verlierer ist – und bei Olympia oft sogar der zweite. Ich muss da immer an Frank Wörndl denken, der 1988 in Calgary 0,6 Hundertstel hinter Alberto Tomba Zweiter im Slalom geworden ist. Wenn er den Tomba geschlagen hätte, wäre sein ganzes Leben anders verlaufen. Aber wer weiß denn jetzt noch, dass er Silber gewonnen hat? Es ist schade, dass meist nur der Olympiasieg zählt.

In Ihrer Kernsportart Biathlon gibt es dafür gleich mehrere Chancen für einen Olympiasieg. Wie viele Medaillen trauen Sie Fünffach-Weltmeisterin Laura Dahlmeier zu?

So eine Serie wie bei der Weltmeisterschaft in Hochfilzen kann man natürlich nicht erwarten. Da muss schon alles zusammenpassen. Aber die Laura hat schon das Potenzial und die charakterlichen Eigenschaften, dass sie mit dem Druck richtig umgeht. Es sind ja schon ihre zweiten Spiele. Zudem denke ich, dass ihr die Strecke mit den langen Anstiegen und den heftigen Abfahrten liegt. Sie kann toll Skifahren. Und sollte sie drei Goldmedaillen gewinnen, wäre sie natürlich der Superstar dieser Spiele.

Und die Männer?

Die müssen zusammen etwas reißen. Zumindest in der Staffel, wenn es sonst nicht funktioniert. Aber auch hier kann es jeder auch im Einzel schaffen. Wenn man sich die Ergebnisse der letzten Spiele anschaut, da gab es immer Überraschungen. Du weißt einfach nicht, was dahinter steckt. Das gilt übrigens für jede Sportart. Olympia ist eben etwas ganz Besonderes.