Trauer

Hüterin von Moskaus Beutekunst

Irina Antonowa war 52 Jahre lang Direktorin des Puschkin-Museums – und hielt nicht viel von Restitution.

02.12.2020

Von DPA

Kunsthistorikerin Irina Antonowa ist mit 98 Jahren gestorben. Foto: Martin Schutt/dpa

Kunsthistorikerin Irina Antonowa ist mit 98 Jahren gestorben. Foto: Martin Schutt/dpa

Moskau. Im Alter von 98 Jahren ist die russische Kunstwissenschaftlerin Irina Antonowa, Präsidentin des Puschkin-Museums in Moskau und „Hüterin der Beutekunst“, gestorben. „Irina Alexandrowna ist tot“, sagte Museumsdirektorin Marina Loschak der Staatsagentur Tass zufolge am Dienstag. In Deutschland war Antonowa als resolute Hüterin jener Kunstschätze bekannt, die Sowjetsoldaten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Moskau brachten. Die „Beute“ galt als Entschädigung für Kriegsverluste, die auf das Konto plündernder und brandschatzender Nazis gegangen waren.

Antonowa war im Alter von 91 Jahren 2013 als Museumsdirektorin zurückgetreten und hatte ihr Lebenswerk an die Kunstwissenschaftlerin Loschak übergeben. Sie blieb nach 52 Jahren an der Spitze des international bekannten Puschkin-Museums aber weiter dessen Präsidentin – und war bis zuletzt auch bei größeren Anlässen präsent. Antonowa hatte noch unter Sowjetdiktator Josef Stalin 1945 ihre Arbeit im Puschkin-Museum begonnen.

Es gehörte zu ihrem Vermächtnis, dass ein russisches Gesetz gegen den Protest Deutschlands die „verlagerten Kulturgüter“ als Wiedergutmachung festschreibt. Zu den Kostbarkeiten gehören auch die Troja-Funde von Heinrich Schliemann und der Eberswalder Goldschatz. „Eine Rückgabe wäre der Beginn einer Revolution in den Kunstsammlungen der ganzen Welt“, sagte Antonowa einmal. Sie verwies darauf, dass Museen weltweit voll seien mit Kunstschätzen von Eroberungszügen und Kriegen.

Wie ein Feldwebel

Die am 20. März 1922 in Moskau geborene Antonowa hatte in ihrer Kindheit einige Jahre in Deutschland gelebt und sprach Deutsch. Noch zu ihrem 90. Geburtstag 2012 meinte die Frau, die oft wie ein Feldwebel in ihren strengen Kostümen auftrat, dass sie kein Ende ihrer Museumsarbeit absehe.

Russische Feuilletonisten lobten Antonowa als Expertin von Weltrang, die mit großer Klugheit und unerschöpflicher Energie selbstbewusst und kompromisslos eines der wichtigsten russischen Museen führte. Nach Ende des Kalten Krieges öffnete sie die Geheimdepots mit Beutekunst, nachdem Moskau bereits zu DDR-Zeiten große Mengen etwa an die Gemäldegalerie in Dresden zurückgegeben hatte. dpa

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Erstellt:
02.12.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 58sec
zuletzt aktualisiert: 02.12.2020, 06:00 Uhr

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