Forstwirtschaft

Holzboom trifft Südwesten

Die Nachfrage in den USA und Asien steigt, der Export brummt. Für die heimischen Betriebe heißt das: Knappheit, höhere Kosten und lange Lieferzeiten.

17.06.2021

Von DPA

Holztransport auf dem Gelände des Sägewerks Streit in Hausach. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Holztransport auf dem Gelände des Sägewerks Streit in Hausach. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Die Folgen des Baubooms in Amerika sind bis in den Schwarzwald zu spüren. Hurrikane haben in den USA Häuser zerstört, Waldbrände behindern den Holznachschub. Zudem gingen mehrere Sägewerke nicht wie geplant in Produktion. Die Folge: steigende Nachfrage, steigende Preise. Selbst für Unternehmen, die nicht nach Amerika exportieren. Zu spekulativ, von der Börse abhängig sei das, sagt der geschäftsführende Gesellschafter des Sägewerks Streit in Hausach (Ortenaukreis), Klaus Henne. „Da kommen auf einmal Preise raus, die sind unglaublich.“ Außerdem hat er Verträge mit langjährigen Kunden, die er auch weiter bedient.

Die Folgen für die baden-württembergische Holzindustrie sind deutlich – nicht nur im Sägewerk Streit. Dort wird emsig entrindet, gesägt, gestapelt. Der Verband Holzbau Baden-Württemberg, der 1000 Zimmereibetriebe und Holzbau-Unternehmen vertritt, hat Alarm geschlagen: Die Lage spitze sich zu. „Bauholz, Holzwerkstoffe sowie Dämm- und andere Baumaterialien erzielen Tag für Tag neue Höchstpreise – parallel dazu werden Liefertermine von Materialien immer weiter verlängert, sodass sich für unsere Betriebe bei immer mehr Projekten mittlerweile ein ernsthafter Engpass ergibt.“

Forstminister Peter Hauk versucht zu beruhigen, dass sich der Markt nach Einschätzung von Experten im Laufe des Jahres auf höherem Niveau wieder beruhigen werde. „Wichtig ist mir, zu betonen, dass ein Versorgungsengpass der Sägeindustrie mit Holz nicht zu befürchten ist“, heißt es in einem Brief des CDU-Politikers an die Betriebe. In einer Ministeriumsantwort an die FDP steht: „Die aktuelle Marktsituation ist für die Holzbauunternehmen zweifellos schwierig.“ Es dürfe allerdings nicht verkannt werden, dass manche Unternehmen selbst auf diese Marktlage mit Hamsterkäufen und Doppelbestellungen reagiert hätten, was die Anspannungen zusätzlich verstärke.

Sägewerkchef Henne sagt, Holz habe an Image als Baumaterial gewonnen. „Die Welt hat Holz als Rohstoff entdeckt.“ Daher sei mittlerweile ein Kampf darum entbrannt. Neben den USA sei die Nachfrage auch aus China und Indien groß – beides Länder mit Milliarden-Bevölkerung. Und auch hierzulande fördere die Politik den Holzbau.

Koalition propagiert Material

So heißt es im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung, der im Übrigen mit einem Wald-Foto auf dem Cover versehen ist: „Holz werden wir als klimafreundlichen und nachwachsenden Rohstoff forciert auch industriell nutzen.“ Holzbau soll in Förderprogrammen des Landes gestärkt werden. Das Land will bei eigenen Bauvorhaben die Holzquote steigern. Zugleich soll aber darauf geachtet werden, „dass die Holzressourcen regional ausreichend verfügbar sind und Wälder nicht übernutzt werden“. Zum Schutz etwa für von Hitze, Dürre und Borkenkäfer geplagte Wälder soll hier weniger Holz geschlagen werden als früher. Während die Politik auf der einen Seite den Holzbau fördere, verknappe sie auf der anderen das Angebot, sagt Henne.

Der Sprecher für Wald- und Forstwirtschaft der FDP-Fraktion, Klaus Hoher, fordert, eine nachhaltige Produktion von qualitativ hochwertigem Holz in den heimischen Wäldern sicherzustellen, „anstatt wie von der grün-schwarzen Landesregierung geplant noch mehr Waldfläche aus der wirtschaftlichen Nutzung zu nehmen“. Die Wertschöpfung müsse auch bei den Waldbesitzern ankommen, die bisher nicht von den Entwicklungen am Holzmarkt profitierten. „Sie bräuchten das Geld aber dringend, um den nötigen Waldumbau voranzutreiben.“

Der Holzmaschinenhersteller Homag aus Schopfloch (Landkreis Freudenstadt) hat bisher keine direkten Auswirkungen etwa in Form von Investitionen in Gerätschaften bemerkt. Allerdings hätten die Kunden mit Holzknappheit, höheren Beschaffungskosten oder längeren Lieferzeiten zu kämpfen, sagt ein Sprecher. „Dies merken fast alle vom Schreiner bis zur Möbelindustrie.“ Bei der Homag Group selbst sei die Nachfragesituation „insgesamt sehr gut“.

Eingreifen will die Landesregierung nicht in den Holzmarkt. Das sei nicht zielführend und berge die Gefahr unerwünschter Nebenwirkungen, heißt es in Hauks Ministerium. „Der Import und Export von eingeschnittenem Holz ist für die deutsche Holzwirtschaft eine wichtige Handlungsoption bei der Krisenbewältigung.“ Der Export größerer Mengen von unveredeltem Rundholz sei in Baden-Württemberg ohnehin die Ausnahme. Und Schnittholz von Sägewerken aus dem Südwesten gehe in erster Linie über angestammte Kundenbeziehungen in die EU und nach Großbritannien. Das solle nicht erschwert werden.

Auch das Sägewerk Streit hat eine Exportquote von 80 Prozent und beliefert vor allem Kunden in Frankreich. Jahrelang habe Holz aus dem Schwarzwald hierzulande als zu teuer gegolten, sagt Henne. Besseres Material gebe es zudem aus Skandinavien, Österreich und Bayern, habe es immer geheißen. „So ist das gewachsen“, erklärt er. „Der inländische Markt hat uns die kalte Schulter gezeigt.“ dpa

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Erstellt:
17.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 12sec
zuletzt aktualisiert: 17.06.2021, 06:00 Uhr

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