Babelsberg

Hollywood in der Mark Brandenburg

Von Metropolis bis Matrix: Die Filmstudios von Babelsberg sind einer der Gründungsorte der Filmgeschichte – und spielen international längst in der Topliga mit.

05.02.2022

Von Günter Hartwig

Die Außenkulisse „Metropolitan Backlot“ bietet vier Straßenzüge und mehrere Innenhöfe. Foto: dpa

Die Außenkulisse „Metropolitan Backlot“ bietet vier Straßenzüge und mehrere Innenhöfe. Foto: dpa

George Clooney hat das Rathaus besichtigt? Für Jann Jacobs, den damaligen Oberbürgermeister von Potsdam, offenbar keine große Sache. „Wissen Sie,“ sagte der SPD-Politiker einem verdutzten Reporter, „hier kommen so viele Prominente vorbei“, da hätte er viel zu tun, wenn er bei allen anwesend wäre. Die Episode spielte sich vor zehn Jahren ab, als der Superstar aus Hollywood mögliche Schauplätze für seinen nächsten Film inspizierte – die Studios und Kulissen in Babelsberg, das Rathaus in Potsdam und das märkische Umland. Roter Teppich in der brandenburgischen Landeshauptstadt, kreischende Fans, Dutzende Fotografen und Kameraleute? Fehlanzeige.

Seit 110 Jahren werden auf dem heute 173 Hektar großen Gelände von Studio Babelsberg Filme gedreht, Blockbuster und Arthouse, Serien für Fernsehstationen und Streamingdienste, Werbeclips und Dokumentationen. Außer US-Schauspieler George Clooney gaben Gerard Depardieu, Cate Blanchett, Matt Damon, Tilda Swinton, Harvey Keitel und Kate Winslet schon ihre Visitenkarte hier ab, dazu die Regisseure Roman Polanski, Steven Spielberg, Wes Anderson und Quentin Tarantino, der sogar auf die Knie fiel und den Boden küsste, als er 2008 bei den Dreharbeiten für „Inglourious Basterds“ zum ersten Mal die legendäre Marlene-Dietrich-Halle betrat. Zuletzt wurde „Matrix Resurrections“ hier gedreht. Doch trotz der internationalen Bedeutung der Babelsberger Studios erscheint die Wiege des deutschen Kintopp nur selten auf dem Radar einer breiten Öffentlichkeit.

Vielleicht hat das mit dem Understatement der Brandenburger zu tun, mit dem Glanz, der oft auf das benachbarte Berlin und seine Berlinale fällt, oder mit der wechselvollen Geschichte des Drehorts. Zwar erlebte Babelsberg in den 1920er-Jahren eine glorreiche Zeit mit Filmen wie „Metropolis“ von Fritz Lang oder „Der Blaue Engel“ mit Marlene Dietrich. Doch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde die verstaatlichte UFA (Universum Film AG) zum Lieblingsspielzeug von Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels, der bis zum Frühjahr 1945 NS-Streifen und Unterhaltungsfilme für die zusehends kriegsmüde Bevölkerung produzieren ließ.

Bleibt trotz Verkaufs an Bord: Geschäftsführer Carl L. Woebcken. Foto: dpa

Bleibt trotz Verkaufs an Bord: Geschäftsführer Carl L. Woebcken. Foto: dpa

Nach dem Zusammenbruch war vom „Mythos Babelsberg“ bis auf das Produktionsgelände nicht mehr viel geblieben. Dennoch wurde bereits am 4. Mai 1946 mit Wolfgang Staudtes Film „Die Mörder sind unter uns“ (Hauptrolle: Hildegard Knef) ein neues Kapitel aufgeschlagen, nun unter der Regie der DEFA, der deutsch-sowjetischen Film-AG. Das Babelsberger Studio wird zum Zentrum der DDR-Kinoproduktionen und mit zeitweise 2500 Angestellten der größte Arbeitgeber der Region.

Mit der Wiedervereinigung kam der nächste Bruch in der Geschichte des Drehorts. Regisseur und Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff („Die Blechtrommel“) nahm sich der DEFA-Studios an, bevor die Treuhand das Unternehmen im Sommer 1992 an den französischen Großkonzern Vivendi verkaufte, der in zwölf Jahren eine halbe Milliarde Euro investierte. Die Studios und mit ihnen die gesamte Babelsberger Medienstadt, zu der auch der Filmpark, das Filmmuseum, die Filmuniversität sowie die Fernseh- und Hörfunk-Produktionsstätten des RBB zählen, erlebten einen bis heute andauernden Aufschwung, der jetzt sogar einen weltberühmten Architekten auf den Plan gerufen hat: Daniel Libeskind soll am Rande des Filmparks ein Quartier („Media City“) mit einem 61 Meter hohen Büroturm („Krone von Babelsberg“) errichten – mit Platz für 5000 neue Jobs. Über das Verfahren, das ohne Wettbewerb vom Bauausschuss der Stadt durchgewinkt wurde, wird derzeit in Potsdam heftig gestritten.

Das Herz des „märkischen Hollywood“ aber bleibt das Studio Babelsberg, das seit 2004 im Besitz der Beteiligungsgesellschaft FBB („Filmbetriebe Berlin Brandenburg GmbH“) war, doch gerade an den texanischen US-Immobilienfonds TREP veräußert wurde. Immerhin blieben die beiden Geschäftsführer Carl L. Woebcken und Christoph Fisser im Amt, schließlich hatte das Duo den Standort durch kluge Entscheidungen auf Erfolgskurs geführt, etwa 2016 durch den Bau des „Metropolitan Backlot“, der größten Außenkulisse Europas – vier Straßenzügen mit unterschiedlicher Architektur, die sich in jede Metropole der Welt verwandeln lässt. Auch technisch habe man als „Full-Service-Dienstleister“, der alle Phasen der Filmproduktion abdeckt, aufgerüstet, erklärt Woebcken: „Wir haben zwei hochmoderne LED-Studios für virtuelle Produktionen auf dem Studiogelände: die Dark Bay, eines der größten LED-Volumes in Europa, und die Halostage im fx.center. Die Teams, die diese neue Technologie hier in Babelsberg mit entwickeln, sind unglaublich leistungsstark und zählen zu den besten der Welt.“

Für Analysten des Filmbusiness ist der Einstieg der Amerikaner ein deutlicher Hinweis auf das Interesse der US-Filmindustrie. „Großes Kino“, so lautet die Hoffnung, soll auch künftig nicht nur im sonnigen Kalifornien produziert werden, sondern auch im märkischen Sand.

Made in Babelsberg

Folgende Filme wurden in den letzten Jahren ganz oder teilweise in Babelsberg gedreht: „Der Pianist“ und „Der Ghostwriter“ (Regie: Roman Polanski), „Die Bourne Verschwörung“ und „Das Bourne Ultimatum“, „Inglourious Basterds“ (Regie: Quentin Tarantino), „Bridge of Spies“ (Regie: Steven Spielberg), „Die Tribute von Panem – Mocklingjay Teil 1 und 2“, „Grand Budapest Hotel“, „Isle of Dogs – Ataris Reise“ und „The French Dispatch“ (Regie: Wes Anderson), „Matrix Resurrections“ (Regie: Lana Wachowski) sowie Teile der Serien „Babylon Berlin“, „Homeland“, „Dark“ und „1899“.