Corona

Hoffnung auf mehr Normalität

Trotz Impfungen gelten in vielen Pflegeheimen zum Teil Kontaktbeschränkungen. Heimleiter warten auf ein Signal aus dem Sozialministerium.

10.04.2021

Von ELISABETH ZOLL

Noch müssen Pfleger und Bewohner von Altenheimen in ihren Bereichen bleiben. Die Impfungen haben bisher zu keiner Lockerung der Kontaktbeschränkungen geführt.  Foto: Christoph Schmidt/dpa

Noch müssen Pfleger und Bewohner von Altenheimen in ihren Bereichen bleiben. Die Impfungen haben bisher zu keiner Lockerung der Kontaktbeschränkungen geführt. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Stuttgart. Das Warten dauert. In den Alten- und Pflegeheimen haben fast alle Bewohner die erste Imfpdosis erhalten. Die große Mehrheit auch schon die zweite. Doch auf Freiheiten hoffen Heimbewohner und Betreuer bisher vergebens. Noch immer gelten Zugangsbeschränkungen. Das gemeinsame Leben ist stark eingeschränkt. Mancherorts so sehr, dass in Lörrach ein Heimbetreiber für das gemeinsame Kaffeetrinken von Geimpften vor Gericht streitet.

„Wir bekommen nichts an die Hand“, sagt Robert Kiesinger, Leiter des Alten- und Pflegeheims St. Anna in Ulm. Vorgaben aus dem Sozialministerium in Stuttgart stehen aus. Beratungen der Gesundheitsminister zum Umgang mit geimpften Personen hatten diese Woche zu keiner Entscheidung geführt. Am Dienstag soll erneut beraten werden.

Für Irritationen sorgt derweil die fast zeitgleich angepasste Empfehlung des Robert Koch Instituts (RKI). Sie legt nahe, dass vollständig gegen Covid-19 geimpfte Personen, Genesene und erstmals Geimpfte künftig von Quarantäne-Maßnahmen ausgenommen werden sollen. Diese Entscheidung sei so „wegweisend“, dass sie „nicht nur über eine Anpassung der Empfehlungen des RKI erfolgen sollte“, moniert Sozialminister Manne Lucha (Grüne) in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Lucha schreibt: „Wenn das RKI nunmehr selbst bei einem engen Kontakt mit einer infizierten Person eine Quarantänepflicht für geimpfte Personen aufgrund des geringen Risikos einer Virusübertragung nicht mehr für erforderlich hält, dann stellt sich die Frage, wie die übrigen Corona-bedingten Grundrechtseinschränkungen verfassungsrechtlich noch gerechtfertigt werden können.“ Das beziehe sich letztlich auf sämtliche Untersagungen und Einschränkungen in allen Lebensbereichen, die derzeit auch noch für geimpfte Personen gelten.

Noch ist völlig unklar, was die Empfehlungen für die Alten- und Pflegeheime bedeuten. Nach wie vor gelten dort strenge Vorgaben. Besuche sind im Ulmer St. Anna Stift von Montag bis Samstag nur zwischen 8 und 15.30 Uhr möglich, und an Tagen mit starkem Andrang auch nur für eine Stunde. So soll die Besucherzahl auf den Stationen begrenzt werden. „Die Verantwortung für die Bewohner liegt bei uns“, sagt Robert Kiesinger. Deshalb lässt er auch nur Tests gelten, die in seinem Haus von geschulten Mitarbeitern vorgenommen wurden.

Noch sind im St. Anna Stift die Gemeinschaftsräume verwaist. Aktivitäten finden nur auf den jeweiligen Stationen statt. In diesen abgetrennten Bereichen dürfen die Bewohner auch gemeinsam essen. Darüber hinausgehende Aktivitäten gibt es noch nicht, auch keine gemeinsamen Gottesdienste. „Jeder Tag ist ein Spagat, wie weit wir gehen können.“

Auch in der Karl-Olga-Altenpflege in Stuttgart wartet Heimleiter Markus Bartl auf ein Signal für erste Lockerungen. „Noch gelten die Bedingungen, die wir seit drei Monaten haben. „Wir warten auf das Go, dass wieder mehr Normalität einkehren kann.“ Zwei der drei Häusern, für die Bartl im Raum Stuttgart und Esslingen Verantwortung trägt, werden nach dem Hausgemeinschaftskonzept geführt. Dort können die Bewohner wie in einer Familie zusammen essen und gemeinsam Zeit verbringen. Im anderen Haus sind die Vorgaben strenger. „Was allen fehlt sind größere Veranstaltungen, bei denen die Bewohner mal wieder etwas anderes sehen und andere Menschen sprechen können.“ Die lange Zeit der Kontaktbeschränkung hat bei Bewohnern Spuren hinterlassen. „Vor allem diejenigen, die einen engen Kontakt zu ihren Angehörigen pflegen, haben gelitten.“

Sehnsucht nach dem Garten

Auch Ursula Wössner-Ackermann haben die vergangenen Monate gefordert. „Das war mit Sicherheit das anstrengendste Jahr, das ich als Heimleiterin hatte.“ Noch gelten im AWO-Pflegeheim an den Weinbergen in Remshalden strenge Auflagen. Besuche sind nur nach Anmeldung und nur für eine Stunde möglich. Auch die 230 Mitglieder des Fördervereins, die sonst für Lebendigkeit im Haus sorgen, bleiben vorläufig noch ausgeschlossen. Zwar hätten die Impfungen Bewohnern und Mitarbeitern ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.

Was fehlt, sind Freiheiten. Zum Beispiel die, in den offenen Garten zu gehen und spontan Menschen aus dem Ort zu treffen, sagt Wössner-Ackermann. „Ich wünsche mir, dass wir bald wieder zu dem offenen Haus werden, das wir einmal waren“.

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Erstellt:
10.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 59sec
zuletzt aktualisiert: 10.04.2021, 06:00 Uhr

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