Baden-Derby

Hoffenheimer Frust

Lange wurden die 1899-Fans von ihrem Team verwöhnt. Nach dem 1:1 gegen den SC Freiburg gibt es Pfiffe – zum Unverständnis von Julian Nagelsmann.

26.02.2018

Von GEROLD KNEHR

Der einzige Höhepunkt im badischen Bundesliga-Derby gegen den SC Freiburg war aus Hoffenheimer Sicht der Freistoß von Andrej Kramaric (links), der zur 1:0-Führung führte. Foto: Eibner

Der einzige Höhepunkt im badischen Bundesliga-Derby gegen den SC Freiburg war aus Hoffenheimer Sicht der Freistoß von Andrej Kramaric (links), der zur 1:0-Führung führte. Foto: Eibner

Hoffenheim. Ungewohnte Akustik im Sinsheimer Stadion. Als Andrej Kramaric 1899 Hoffenheim im badischen Derby der Fußball-Bundesliga per Freistoß gegen die schlecht gestellte Abwehrmauer des SC Freiburg mit 1:0 in Führung schoss (57.), blieb die gewohnte TSG-Torfanfare („Was sollen wir trinken, sieben Tage lang“) aus – wegen „technischer Schwierigkeiten“, wie der Stadionsprecher erklärte.

Am Ende, nachdem Nils Petersen per Elfmeter längst schon zum 1:1-Endstand ausgeglichen hatte (66.), wurde es doch noch laut in der offiziell ausverkauften, aber aufgrund der Kälte längst nicht vollbesetzten Sinsheimer Arena. Es waren alles andere als angenehme Töne. Die Hoffenheimer Profis wurden ob ihrer Einfallslosigkeit, die in zahlreichen Rückpässen gipfelte, mit gellenden Pfiffen verabschiedet.

1899-Trainer Julian Nagelsmann war seine Frustration deutlich anzumerken. „Die Zuschauer wollten mit ihren Pfiffen viele Freistöße für uns provozieren“, flüchtete er sich zunächst in Sarkasmus. Um anschließend seinem Unmut auf andere Weise Luft zu verschaffen. „Wir waren in dieser Saison nie schlechter als Neunter. Wenn man da anfängt zu pfeifen, wird es eng. Was machen dann die Fans der Mannschaften, die hinter uns stehen? Die vom Zehnten stürmen das Feld? Die vom Elften nehmen einen Spieler mit nach Hause? und die vom Zwölften machen den Mannschaftsbus kaputt?“

Abgänge nicht kompensiert

TSG – das stand für 1899-Anhänger bislang für Tore, Siege, Glücksgefühle. Doch mit ihrem derzeitigen Personal kann Hoffenheim die Erwartungshaltung der Zuschauer nicht mehr erfüllen. Die Abgänge ihrer Stammkräfte Sebastian Rudy, Niklas Süle und Sandro Wagner, die nun beim FC Bayern München in der zweiten Reihe stehen, machen sich deutlich bemerkbar. Weshalb die TSG-Fans nun traurig, sauer und grummelig sind.

Nagelsmann weiß um die Defizite seines Teams, auch wenn er sie nur verklausuliert beschreibt. „Der vorfinale Pass kommt nicht an“, schwurbelte er. Im Klartext heißt das: Wir erspielen uns zu wenig Torchancen. Oder: „Leider war die Boxbesetzung nicht so, um ein Tor zu erzielen.“ Will sagen: Der zentrale Stürmer Adam Szalai machte gegen Freiburg keinen Stich. Nur im Falle des ausgeliehenen Nationalspielers Serge Gnabry, der nach der Saison zum FC Bayern zurück möchte, sprach der Hoffenheimer Coach Klartext: „Er hatte vier gute Aktionen. Ansonsten tauchte er ab. Bei den Ambitionen, die er hat, muss viel mehr kommen.“

Ganz anders ist die Stimmungslage beim SC Freiburg – kein Wunder bei der aktuellen Bilanz von nur einer Niederlage aus den letzten zwölf Begegnungen. „Wir haben vorbildlich geschafft und gegen den Ball alles abgearbeitet, was geht“, freute sich Trainer Christian Streich. „Mit dem Ball müssen wir aber besser spielen. Unsere Passqualität war nicht o.k.“

Dass sein SC sich im breiten Mittelfeld der Tabelle behaupten kann, sei neben dem eigenen Verdienst auch der generellen Lage die Bundesliga geschuldet, die zunehmend etablierte Spieler wie den früheren Hoffenheimer und Kölner Anthony Modeste ans Ausland verliert. „Das schwächt andere Vereine. Wir haben keine Spieler dieser Kategorie“, sieht Streich einen Vorteil für seinen SC. Der musste zwar vor dieser Saison auch Akteure wie Maximilian Philipp (für 20 Millionen Euro zu Borussia Dortmund) und Vincenzo Grifo (für sechs Millionen nach Mönchengladbach) ziehen lassen. Doch der Ausbildungsverein SC konnte die Lücken besser füllen als die Kollegen nördlich des Breisgaus.