Raubgut-Rückgabe

Kommentar: Höchste Zeit

Ein Dank ans Humboldt-Forum. Wäre durch das ungeliebte Prestige-Projekt in Berlins Mitte nicht ein solcher öffentlicher Druck entstanden, diskutierte man wahrscheinlich noch in zehn Jahren über die Rückgabe von kolonialem Raubgut.

03.05.2021

Von CHRISTINA TILMANN

Berlin/Stuttgart. Die Entscheidung zur „substanziellen“ Restitution der Benin-Bronzen, die nach den britischen Plünderungen 1897 über den Kunsthandel auch ins deutsche Kaiserreich gelangt sind, ist ein Durchbruch. Eine Pioniertat ist es aber nicht, und ein Ruhmesblatt schon gar nicht.

Seit den 1970er Jahren haben afrikanische Staaten, darunter auch Nigeria, die Rückgabe von kolonial geraubten Kulturgütern gefordert – die Behörden und deutsche Museen haben das beharrlich ausgesessen. Auch die Benin Dialogue Group, die sich seit 2010 mit dem Thema befasst, war ursprünglich keineswegs mit Restitutionsabsichten gegründet worden. Erst der französische Staatspräsident Emmanuel Macron brachte 2017 mit seiner Ankündigung, Kunstwerke aus französischen Museen zu restituieren, Bewegung in die Sache. So ist Deutschland also keineswegs „ganz vorn“, sondern endlich aufgewacht. Einzelkämpferinnen wie die Kulturwissenschaftlerin Bénédicte Savoy oder die Leiterin des Stuttgarter Linden-Museums Inés de Castro haben lange beharrlich Druck aufgebaut.

Dass sich die Museen von Stuttgart bis Berlin nun auf eine gemeinsame Linie verständigt haben – ein echter Fortschritt. Und die Aussicht, dass man, statt über Rechtmäßigkeit von Besitz zu streiten, künftig tatsächlich international kuratierte Ausstellungen zu Hochkulturen aus aller Welt sehen können wird, ist ein Lichtblick für die Museen des 21. Jahrhunderts.