Verkehr

Hock auf der Hauptstraße

Auf der Unterjesinger Ortsdurchfahrt machten es sich die Anhänger einer Tunnelumgehung bequem. Ortsvorsteher Michael Rak rechnet mit einem Baubeginn im Jahr 2021.

04.09.2017

Von Martin Zimmermann

Zum Hock auf der gesperrten Hauptstraße hatte Unterjesingens Tunnelbauverein eingeladen. Bild: Zimmermann

Zum Hock auf der gesperrten Hauptstraße hatte Unterjesingens Tunnelbauverein eingeladen. Bild: Zimmermann

Einen Tunnel, der den Verkehr von derzeit bis zu 26 000 Fahrzeugen täglich an dem Ort vorbeiführen soll, wünschen sich viele in Unterjesingen. Um zu zeigen, wie schön die Jesinger Hauptstraße ohne Verkehr wäre, organisierte der vor einigen Jahren gegründete Tunnelbauverein am Samstag einen sogenannten Straßen-Raum-Hock auf der wegen der B 28-Sperrung derzeit eh kaum frequentierten Hauptstraße. Auf der ganztägig gesperrten Straße waren ein Zelt und Bierbänke aufgebaut.

Ortsvorsteher Michael Rak ist Vorsitzender des Tunnelbauvereins und Anführer der Tunnellobby. Der Ex-CDU-Stadtrat, Verwaltungsjurist und ehemalige Mitarbeiter des Stuttgarter Verkehrsministeriums, der im letzten Jahr aus der CDU ausgetreten ist, hat eine Machbarkeitsstudie zum Tunnel in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse er bei dem Hock präsentierte. Im Zelt war dazu eine großformatige Grafik aufgehängt, interessierte Bürger konnten zudem in die Machbarkeitsstudie Einsicht nehmen.

An Zettelwänden konnten zudem die Bürger ihre Vorschläge einbringen, wie sie sich Unterjesingen und seine Hauptstraße nach einem Tunnelbau vorstellen. Ebenfalls konnten die Unterjesinger ihre Erinnerungen an die Jesinger Hauptstraße vor dem Bau der Autobahn im Jahr 1983 aufschreiben. „Hühner und Misthäufen“ stand da etwa auf einem Zettel.

Nach der Machbarkeitsstudie des Tunnelbauvereins scheiden von den drei geplanten Varianten eine direkte Untertunnelung des Ortes und eine Untertunnelung der Hänge im Norden von Unterjesingen aus. Sinnvoll wäre jedoch eine Untertunnelung im Süden des Ortes. Laut Raks Plänen müsste der Tunnel dafür zweimal die Gleise der Ammertalbahn unterqueren. Von der oberen bis zur unteren Mühle verliefe die Röhre dann zwischen Ammer und Bahntrasse, so Rak.

Galerie bringt keine Ersparnis

Auch die sogenannte Galerielösung einer ebenerdigen Umgehungsstraße, die nur von einer Galerie abgedeckt wird, kommt nach der Studie nicht mehr in Frage, weil sie nur wenig Kostenersparnis bringen würde und für die Umwelt eine größere Belastung wäre, sagt Rak. Nach dem Bau der neuen B 28-Trasse zwischen Tübingen und Rottenburg würde sich zudem den Berechnungen zufolge der Verkehr in Richtung Wurmlingen so reduzieren, dass ein Anschluss des Tunnels in diese Richtung nicht mehr zwingend notwendig wäre, sagt Rak.

Die Kosten für einen Tunnelbau beziffert Raks Machbarkeitsstudie auf 86,3 Millionen Euro. Zunächst sei man von 22 Millionen Euro ausgegangen, aber nachdem in Ravensburg ein Tunnel überflutet wurde, seien die Kosten für Sicherheitsmaßnahmen gestiegen. Dem stünde allerdings ein Nutzen an geringerer Feinstaub-, Lärm- und Abgasbelastung von 200 Millionen Euro gegenüber, behauptet die Studie. Auch könne die Ortsmitte – Rak plant hier den Bau ein Zentrums für altersgerechtes Wohnen – schöner und besser bebaut werden, sagt der Ortsvorsteher. Das Landesverkehrsministerium hatte im Jahr 2014 noch abgelehnt, den Tunnel in den Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen. Wie berichtet, gelang es Rak durch seine Kontakte im Bundesverkehrsministerium aber doch, sein Projekt zu platzieren. Nun ist der Ortsvorsteher optimistisch, dass die Planungen für die Untertunnelung im günstigsten Fall 2018 und der Bau 2021 beginnen könnte. „Ich habe meiner 92-jährige Schwiegermutter, dem ältesten Mitglied des Tunnelbauvereins, versprochen, dass ich sie an ihrem hundertsten Geburtstag im Rollstuhl durch den Tunnel schieben werde“, so Rak.

Dafür muss er allerdings noch Lobbyarbeit leisten, denn noch sind der Tübinger Gemeinderat und das Landesverkehrsministerium nicht vom Tunnelbau überzeugt. Seine Unterjesinger hat der Ortsvorsteher allerdings mehrheitlich hinter sich, das zeigten die 80 Prozent Zustimmung bei einer Befragung.

Zum Straßen-Raum-Hock kamen über hundert Besucher. Angeboten wurden neben Grillwürsten, Steaks und Bier auch Wurstsalat und ein eigens von einem Unterjesinger Bäcker gebackenes Tunnelbrot, in das mit einem Nudelholz eine Tunnelaussparung gemacht war. Auch Bühls Ortsvorsteher Gerhard Neth, der mit dem E-Bike von einer Veranstaltung in Hagelloch, das von Rak als eine Art Unterjesinger Kolonie bezeichnet wird, gekommen war, ließ sich das Tunnelbrot schmecken.