Erfolgreich gezittert

Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch schafft den Finaleinzug

Marie-Laurence Jungfleisch vom VfB Stuttgart ist das neue Gesicht der deutschen Leichtathletik und in Rio für eine Medaille gut. Die DLV-Bilanz ist schwach.

19.08.2016

Von WOLFGANG SCHEERER

Marie-Laurence Jungfleisch erlebt ihre ersten Olympischen Spiele und ist die große Medaillenhoffnung der verbliebenen DLV-Athleten. Foto: dpa

Marie-Laurence Jungfleisch erlebt ihre ersten Olympischen Spiele und ist die große Medaillenhoffnung der verbliebenen DLV-Athleten. Foto: dpa

Rio de Janeiro. Richtig souverän sieht anders aus. Aber man darf dabei nicht vergessen: Es sind die ersten Olympischen Spiele für Marie-Laurence Jungfleisch. 1,92 Meter schaffte die Hochspringerin gestern erst im dritten Versuch. „Oh, da war's wirklich kurz eng“, sagte sie später und war froh, als die direkte Qualifikation fürs Finale mit 1,94 im zweiten Anlauf endgültig geschafft war: „Großes Ziel erreicht! Insofern habe ich jetzt nichts mehr zu verlieren.“

Seit kurzem zählt die 25-Jährige vom VfB Stuttgart zum exklusiven Klub der Zwei-Meter-Springerinnen. Gelingt in der Nacht zum Sonntag deutscher Zeit (1.30 Uhr MESZ/ZDF) eine ähnliche Leistung wie Mitte Juli in Eberstadt, dürfte das für eine Medaille reichen. Diese Saison war nur Chaunté Lowe aus den USA mit übersprungenen 2,01 Metern um einen Zentimeter besser.

„Es ist natürlich etwas Besonderes, bei Olympia dabei zu sein“, sagt die Sportsoldatin. Das hat in ihrem Fall einen speziellen Klang. Denn diese Premiere hätte sie im besten Fall schon 2012 feiern können. Da nominierte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) die erfahrene Ariane Friedrich. Sie hatte die Norm wie Jungfleisch knapp verpasst, erhielt als deutsche Rekordhalterin (2,06) aber dennoch das begehrte Ticket – und schied in der Qualifikation aus. Nun ist die EM-Fünfte Jungfleisch dabei und Ariane Friedrich nach einem Comebackversuch weit weg von ehemaliger Klasse. Marie-Laurence Jungfleisch ist das neue Gesicht des Hochsprungs, ja, der deutschen Leichtathletik. Ihre Mutter ist Deutsche, der Vater kommt aus Martinique in der Karibik. Sie selbst ist in Paris geboren, dann in Freiburg aufgewachsen. „Marie-Laurence hat sich in den letzten Jahren zu einer professionellen und reifen Sportlerin entwickelt“, betont Trainer Tamas Kiss in Rio. „Ich traue ihr hier eine Überraschung zu.“ Die Chancen haben sich gerade im Hochsprung der Frauen auch dadurch klar verbessert, dass wegen des Doping-Banns zwei starke Russinnen fehlen: Weltmeisterin Maria Kutschina, die ebenfalls Mitte Juli über zwei Meter geflogen war, und Titelverteidigerin Anna Tschitscherowa. Sie hatte 2012 in London mit 2,05 gewonnen.

Ein Erfolg der Hochspringerin täte auch dem Team gut. Für die DLV-Athleten waren die acht Medaillen von London schon bei Halbzeit außer Reichweite. „Das war 2012 ein herausragendes Ergebnis, doch man muss auch sehen, dass wir dort mehr Medaillen gemacht haben, als bei drei vorherigen Spielen zusammen“, sagte DLV-Präsident Clemens Prokop. Vor allem die großen Hoffnungen auf ein sehr starkes Abschneiden von Kugelstoß-Weltmeisterin Christina Schwanitz oder die Diskuswerferinnen um Robert Hartings Freundin Julia Fischer sind früh geplatzt, auch Stabhochspringer Raphael Holzdeppe, der vor Olympia lange verletzt war, blieb schon in der Qualifikation hängen.

In ein tiefes Loch wie 2008 in Peking mit nur einer Bronzemedaille durch Speerwerferin Christina Obergföll von der LG Offenburg rutscht das DLV-Team aber ganz sicher nicht. Dazu sind die zahlreichen langsam nachrückenden jüngeren Athleten zu stark.