Studium

Hochschulen starten mit Präsenzlehre – Studierende sind unzufrieden

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer informiert sich in Stuttgart über den Semesterstart. Studenten hätten gerne noch mehr Vor-Ort-Betrieb.

19.10.2021

Von Miri Watson

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer steht in einem Hörsaal der Universität Stuttgart.

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer steht in einem Hörsaal der Universität Stuttgart.

Stuttgart. Vor der Universität Stuttgart stehen Zelte: Neben dem Corona-Test-Zelt eines privaten Anbieters ist ein länglicher Pavillon, in dem die Studentinnen und Studenten ihren 3G-Nachweis vorzeigen müssen. Denn nur, wer das kann, erhält einen Barcode, mit dem der Zutritt zu den Universitätsgebäuden und den Hörsälen erlaubt ist.

Theresia Bauer, Wissenschaftsministerin des Landes, konnte: Um sich über den Start der Präsenzlehre an den Hochschulen und Universitäten zu informieren, war sie am Montagvormittag zu Besuch an der Uni und ließ sich auch einen Barcode ausstellen. Über die zumindest anteilige Rückkehr zur Präsenz freute sich die Ministerin: „Es ist nicht Semester vier der Online-Lehre, sondern Semester eins, in dem wir mit dem Virus leben.“

Noch keine Normalität

Für die Studierenden, die in den vergangenen anderthalb Jahren von daheim aus studiert haben, bedeutet das aber nicht die Rückkehr zur Normalität: So musste beispielsweise die Erstsemester-Party an der Universität Stuttgart auf unbestimmte Zeit verschoben werden, weil Studierendenvertretung und Rektorat sich erst noch auf ein Hygiene-Konzept einigen müssen.

An der Hochschule für Technik in Stuttgart, die Ministerin Bauer am Montag ebenfalls besuchte, erzählten Studierende der Innenarchitektur im dritten Semester, dass für sie die Umstellung auf Präsenzlehre auch emotional Schwierigkeiten mit sich gebracht habe: „Man fühlt sich wie ein Erstsemester“, sagte eine Studentin. Eine andere Studentin des selben Kurses berichtete der Ministerin: „Ich fand es im vergangenen Jahr doof, dass die Studenten alle daheim sitzen mussten, während die Schulkinder alle zur Schule gehen durften. Da habe ich mich alleingelassen gefühlt.“

Wie sehr die Pandemie immer noch auf die Psyche von Studierenden schlägt, zeigen die Zahlen der psychologischen Beratungsstelle des Studierendenwerks Stuttgart: „Die Beratungsstelle wird etwa dreimal so häufig konsultiert als vor Corona“, sagte Professor Wolfram Ressel, Rektor der Universität. Anita Bauer, Pressesprecherin des Studierendenwerks Stuttgart, begrüßt daher die Rückkehr zur Präsenzlehre an den Hochschulen: „Für die psychische Gesundheit sind soziale Kontakte notwendi“, sagte sie.

Ob der Anteil an Präsenzunterricht, den die Hochschulen des Landes anbieten, zu einer Verbesserung des psychischen Wohlbefindens der Studierenden ausreicht und wie sich die weiterhin bestehenden Einschränkungen und die durch die Präsenzlehre entstehende Probleme wie Wohnraum- und Lernplatzmangel auswirken, wird das gerade angelaufene Wintersemester zeigen. An der Uni Stuttgart wird jedenfalls eine Erfolgsgeschichte über die Rückkehr zur Präsenzlehre erzählt: „Wir wollten mindestens 50 Prozent Präsenzveranstaltungen haben“, sagte Professor Wolfram Ressel, Rektor der Universität. „Mit den jetzigen Erfahrungen kommen wir an die 70 Prozent.“

Einige Studierende werfen dem Rektor vor, diese Zahlen schönten die tatsächliche Situation: „Es sind vor allem kleinere Veranstaltungen mit zehn bis zwanzig Teilnehmern, die stattfinden“, sagte Julian Siebert von der Fachgruppe Informatik, „Die Vorlesungen finden zum großen Teil aber weiterhin online statt.“ So gebe es für die Erstsemester im Fachbereich Informatik keine einzige Vorlesung in Präsenz.

„Erneutes Online-Semester“

Isabell Faißt, die Geschichte und Englisch auf Lehramt studiert, erzählte: „Manche Studiengänge, wie etwa Geschichte, haben nur etwa zehn Prozent der Veranstaltungen in Präsenz.“ Hinzu komme, dass die Veranstaltungen, die in einem rollierenden System abwechselnd online und präsent besucht werden müssten, als präsent gezählt würden; diese tatsächlich aber nur in der Hälfte der Zeit seien. „Für uns ist das ein erneutes Online-Semester“, sagte Siebert.

Ministerin Bauer versprach bei ihrem Besuch, in engem Kontakt mit allen Mitgliedern der Hochschulen die Regelungen so nachzubessern, dass möglichst alle Bedürfnisse berücksichtigt werden: „Wir alle wissen, dass ein Studium nicht nur dafür da ist, was ins Gehirn zu bekommen, sondern auch für den sozialen Austausch.“

Wohnungsmarkt in Unistädten wieder angespannt

Nicht nur an den Hochschulen und Universitäten direkt bringt die Rückkehr zu mehr Präsenzlehre Herausforderungen mit sich: Dadurch, dass viele Studentinnen und Studenten in diesem Winter wieder in den Hörsälen ihrer Universitäten erscheinen müssen, ist auch der Wohnungsmarkt in den Unistädten wieder angespannter als im Vorjahr. Philipp Mang, Sprecher des Studierendenwerks Tübingen-Hohenheim, berichtet: Vielen wohnungssuchenden Studenten in Tübingen, Reutlingen und Hohenheim habe das Studierendenwerk kein Angebot machen können; in Tübingen seien knapp 1000 Bewerbungen offen geblieben. Grund sei neben der Rückkehr auf den Campus auch die pandemiebedingte Verlängerung der Regelstudienzeit.

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Erstellt:
19.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 08sec
zuletzt aktualisiert: 19.10.2021, 06:00 Uhr

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