Tübingen · Weihnachtsspendenaktion

Hinter der Tür mit Tiger, Giraffen und Elefanten

Das TAGBLATT sammelt in diesem Jahr für Kinder im Intesiv-Delir. Nahezu jedes dritte Kind, das auf der Intensivstation liegt, ist davon betroffen. Aaron ist eines davon.

24.12.2022

Von Sophie Holzäpfel

Andrea Koch (links im Bild) ist Heilerziehungspflegerin auf der Kinder-Intensivstation der Tübinger Uniklinik. Sie kümmert sich dort um Kinder, die in ein Intensiv-Delir fallen. Sie kümmert sich aber auch um die Eltern der Kinder. Hier bespricht sie sich mit den Eltern des kleinen Loris, Judith und Ronnie Berzins. Archivbild: Anne Faden

Andrea Koch (links im Bild) ist Heilerziehungspflegerin auf der Kinder-Intensivstation der Tübinger Uniklinik. Sie kümmert sich dort um Kinder, die in ein Intensiv-Delir fallen. Sie kümmert sich aber auch um die Eltern der Kinder. Hier bespricht sie sich mit den Eltern des kleinen Loris, Judith und Ronnie Berzins. Archivbild: Anne Faden

Er kann nicht schlafen. Aaron streckt die winzigen Finger nach seiner Mutter aus, seine Schreie durchdringen die abendliche Stille auf der Station. Catrin beugt sich über ihn, streicht ihrem sieben Wochen alten Sohn beruhigend über den Kopf. „Ein normales Baby trinkt, und schläft dann wieder zwei Stunden. Wacht wieder auf, schläft wieder ein. Aaron hat seit heute Morgen um 7 Uhr noch nicht richtig geschlafen“, sagt Vater Gerold. Eine tiefe Schlafphase habe er nicht.

Aaron hat die Klinik noch nie verlassen. Er kam an einem Herbsttag um 8:12 Uhr zur Welt und war keine halbe Stunde alt, als die Ärzte ihm intravenöse Zugänge legen mussten. Dann wurde er von der Frauenklinik auf die Intensivstation gebracht. „Ich erinnere mich noch, da gab es diesen Moment, in dem auf einmal an die zehn Ärzte und Schwestern um ihn herumstanden“, so Gerold.

Sechs Wochen vor der Geburt habe die Ärztin bei einer Ultraschalluntersuchung den Herzfehler entdeckt. Für die werdenden Eltern ein Schock: Zwei Wochen habe es gedauert, die Tragweite dieser Information zu verarbeiten. „Man ist erst mal in einem Tunnel drin“, erzählt der Familienvater. Gerolds und Catrins Sohn kam mit einem Hypoplastischen Linksherz-Syndrom zur Welt: mit Fehlbildungen des Herzens und der angeschlossenen Hauptschlagader. „Es gab verschiedene Herzfehler. Die linke Herzkammer war kleiner, als sie sein sollte. Dann hatte Aaron noch eine Dünnstelle im Aortenbogen“, erklärt der Vater. Hinter Aaron liegen bereits drei Operationen. Zwei davon am offenen Herzen. Im Dezember konnte der Tubus, die Beatmungshilfe, gezogen werden: seit 14 Tagen gab es keinen Rückstau mehr auf die Lunge. Der Säugling liegt mittlerweile nicht länger auf der Intensivstation, sondern wurde auf die Kinderkardiologie verlegt.

Ein Hoffnungsschimmer für die Eltern. Noch wissen sie nicht, wie es weitergeht. Erst eine bevorstehende Herzkatheteruntersuchung Mitte Januar wird ihnen Klarheit verschaffen: „Letztendlich wird dann erst entschieden, ob Aaron beide Herzkammern behalten kann“, so Gerold. Bis dahin bleibe das große Fragezeichen. Erst am Vortag wurde das Schmerzmittel Morphin, das Aaron seit dem ersten Tag bekam, abgesetzt.

„Aktuell hat Aaron zu kämpfen mit so einer Mischung aus Delir, Entzug und Magen-Darm-Problemen, die von den Medikamenten kommen“, erklärt der Vater. Ein Delir, ein anhaltender Verwirrungszustand, ist bei Patienten, die auf der Intensivstation liegen, keine Seltenheit. Bei Kindern wird die Forschung derzeit noch vernachlässigt.

Die Nächte verbringt Catrin bei ihrem Sohn. Die Wände des Ganges der Station sind bunt bemalt, an der Tür kleben Tiger, Giraffen und Elefanten. Es ist ruhig an diesem Abend, hin und wieder hört man die verklingenden Schritte der Krankenpfleger oder das Weinen eines Kindes. Aarons Eltern sind jeden Tag hier, weichen ihrem Sohn kaum von der Seite. „Da war kein Zweifel, da war nichts, was irgendwie Unsicherheit gezeigt hätte“, sagt Gerold. Eine Unterbrechung der Liebe zu ihrem Kind habe es nie gegeben: „Aaron war für uns perfekt, von Anfang an. Egal wie es für uns weitergeht, wir wissen es nicht. Aber wir halten zusammen“.

Eine wichtige Rolle – sowohl für Aaron als auch für seine Eltern – spielen Heilerziehungspfleger und Psychologen auf der Station. Die Finanzierung der Heilerziehungspflegestellen erfolgt ausschließlich über Spendengelder: die Stiftung „Hilfe für kranke Kinder“ setzt sich seit Jahren für das Jobprofil in der Kinderklinik ein. „Die Psychologen und genauso die Heilerziehungspfleger erfüllen einen wichtigen Baustein. Ein Intensivpfleger hat nicht die Kapazität, ein Kind permanent emotional zu unterstützen“, sagt der betroffene Vater. Er sehe das als einen Baustein, „der anders als der medizinische, aber der genauso wichtig ist. Für die Entwicklung, für die Gesundung“.

Die Psychologen seien für sie als Eltern ebenso bedeutend: „Sie konnten uns Fragen beantworten, hatten ein Ohr für uns. Das sind sehr wichtige Elemente, die in meinen Augen nicht wegzudenken sind. Die den Bereich Intensivstation ganzheitlich werden lassen“.

Hinter der Tür mit Tiger, Giraffen und Elefanten

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Erstellt:
24.12.2022, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 28sec
zuletzt aktualisiert: 24.12.2022, 01:00 Uhr

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