Reutlingen · Demonstration

Hilferuf der Händler: Autokorso mit über 100 Fahrzeugen

Laut hupend zog am Samstagmittag eine Autoschlange rund um die Reutlinger Innenstadt: Über 100 Autofahrer machten so auf die Not der Einzelhändler und Gastronomen aufmerksam.

13.02.2021

Von Jonas Bleeser

Über 100 Autos waren beim Korso durch die Reutlinger Innenstadt dabei: Die Teilnehmer wollten auf die Not von Einzelhandel und Gastronomie aufmerksam machen. Bild: Jonas Bleeser

Über 100 Autos waren beim Korso durch die Reutlinger Innenstadt dabei: Die Teilnehmer wollten auf die Not von Einzelhandel und Gastronomie aufmerksam machen. Bild: Jonas Bleeser

Auto reiht sich an Auto: Insgesamt sind es über 100 Fahrzeuge, die sich am Samstag gegen 14 Uhr an der Straße zum Reutlinger Kreuzeiche-Stadion zu einer großen, mobilen Demo formieren. Manche Teilnehmer haben Transparente an ihre Transporter geklebt: „Geschäfte jetzt achtsam öffnen“ fordern sie beispielsweise, oder stellen bitter fest: „Noch immer keine Hilfen für den Handel.“

Dass so viele gekommen sind, überrascht auch den Anmelder Harald Nilson. Er hat zum ersten Mal zu einer Demo aufgerufen. Die Forderungen haben der 59-Jährige und seine Frau in der Nacht zum Samstag noch schnell auf Duschvorhänge gemalt. Zum Aufruf hatte er sich am Mittwoch spontan entschlossen, als klar war, dass die Geschäfte der Einzelhändler vorerst weiter geschlossen bleiben müssen – darunter auch sein eigenes. Nilson hat in Rommelsbach einen Laden für Anglerbedarf.

Die Pandemie nimmt der 59-Jährige sehr ernst: „Bei uns durfte kein Kunde ohne Maske in den Laden“, sagt Nilson über die Zeit vor den Ladenschließungen, „wir haben wirklich jedem die Hände desinfiziert. Wir nehmen die Regeln sehr ernst.“ Das gilt auch für den Autokorso: Jeder Teilnehmer bekommt ein Din-A-4-Blatt, auf dem er darauf verpflichtet wird, bereits bei der Aufstellung das Auto nicht zu verlassen, damit kein Menschenauflauf entsteht. Außerdem sollen alle die Corona-Verordnung beachten, Abstand halten, Masken tragen. Mit Corona-Leugnern will Nilson nichts zu tun haben.

Harald Nilson hatte den Autokorso organisiert. Bild: Jonas Bleeser

Harald Nilson hatte den Autokorso organisiert. Bild: Jonas Bleeser

Aber nun gehe es den Händlern und Gastronomen endgültig an die Existenz: „Wir brauchen endlich eine Perspektive“, sagt Nilson, der für eine Öffnung unter strengen Auflagen ist. In kleinen Geschäften ließen sich Hygiene-Regeln eigentlich gut einhalten, besser als in großen Supermärkten. Dass die kleinen Einzelhändler zu bleiben, aber die Discounter alles verkaufen dürfen, findet er ungerecht. Deshalb hat er sich zum Demo-Aufruf entschieden: „Eigentlich bin ich da gar nicht der Typ dafür, ich bin eher politisch neutral.“ Die versprochenen Hilfen aber kämen einfach nicht an, die Überbrückungshilfe III könne man noch nicht einmal beantragen. Hinter jedem Geschäft aber stünden doch Familien – auf deren Not will er hinweisen.

Das sehen offenbar noch mehr Leute so: Trotz der kurzen Zeit seit dem Aufruf fahren am Samstag über 100 Fahrzeuge laut hupend am Stadion ab. Neben vielen Reutlinger Kennzeichen sind auch ein paar Tübinger, Stuttgarter und Balinger gekommen.

Eine Stunde lang fuhren die Teilnehmer rund um die Reutlinger Innenstadt. Bild: Jonas Bleeser

Eine Stunde lang fuhren die Teilnehmer rund um die Reutlinger Innenstadt. Bild: Jonas Bleeser

Begleitet von der Polizei umrunden sie einmal die Reutlinger Innenstadt. Das führt zu einigen Staus, ansonsten aber verläuft die Demonstration reibungslos. Nilson und seine Frau Simone sind zufrieden. In der Außendarstellung könne man noch besser werden, beispielsweise mehr Transparente an die Autos hängen. Für kommenden Samstag planen sie den nächsten Autokorso. „Wir wollen weitermachen.“