Tübingen · Tagessprüche 2019

Hier wird diskutiert bis zum Ende des Klimawandels

Die Top 20 unter den vielen bemerkenswerten Erkenntnissen des vergangenen Jahres sind gekürt. Die Auswahl fiel schwer, ist strikt subjektiv und unanfechtbar.

09.01.2020

Von Ulla Steuernagel

Sie brauche keinen zu machen, ihr Leben sei ein sexistischer Witz, dies verriet Bürgermeisterin Daniela Harsch, Platz 1, bei der diesjährigen Feuerwehrkneipe. Archivbild: Ulrich Metz

Sie brauche keinen zu machen, ihr Leben sei ein sexistischer Witz, dies verriet Bürgermeisterin Daniela Harsch, Platz 1, bei der diesjährigen Feuerwehrkneipe. Archivbild: Ulrich Metz

Auch im vergangenen Jahr wurde wieder viel gesprochen. Und täglich musste mindestens ein Satz fallen, der allen anderen etwas voraus hatte. Sonst wäre der Tag einer der Tage gewesen, die den Name nicht verdient hätten, eben kein sprechender Tag, sondern nur ein stummer hilfloser Zeuge der Zeit und ihres Vergehens. Doch bisher fand sich noch immer ein „Tagesspruch“, der einen hervorgehobenen Platz im TAGBLATT verdiente.

Wie zu jedem Jahresanfang durchsuchten wir das vergangene Jahr nach den Topkandidaten für unsere Ewigenliste der ganz großen Randbemerkungen, der überraschenden Wahrheiten, glänzenden Oberflächenanalysen oder tiefgründigen Erkenntnisse. Wir präsentieren hier die 20 Besten.

Die Auswahl erfolgte rein subjektiv und kann deshalb auch nicht mit noch so stichhaltigen Argumenten angefochten werden. Eine statistische Erkenntnis möchten wir aber schon vorwegnehmen: April und Oktober waren die Monate mit der größten Spruchdichte (nämlich jeweils drei). Der weit abgeschlagene, schwächste Monat war der Juni (er kommt gar nicht vor, das wird der kommende hoffentlich wieder gutmachen).

Angesichts der diesjährigen Charts müssen wir uns ein wenig entschuldigen: Sehr viele prominente Münder sind diesmal dabei. Aber sind wir schuld, wenn das Volk verstummt? Für die Wertung müssen wir als Erklärung vorausschicken, dass Profis, also Kabarettisten und andere Fachleute, Punktabzüge bekamen, denn schließlich darf man von ihnen Markantes erwarten. Wir wollten jedoch vor allem die ehrenamtlichen Spruchlieferanten und -lieferantinnen küren, zu denen auch Politiker, Leitungskräfte und das Uni-Personal zählen.

Platz 20 errangen die „Drei vom Dohlengässle“ mit ihrem philosophisch dialektalen Rat: „Ma sagt net ‚secht‘, man secht ‚sagt‘.“ (16. Januar)

Platz 19 steht für den Entertainer und Zauberkünstler Helge Thun, der auf dem Museumsball völlig zu recht zu bedenken gab: „Dass Tübingen künstliche Intelligenz dringend braucht, kann man bereits daran erkennen, dass hier eine Einrichtung, die sich auf einem Berg befindet, Valley genannt wird.“ (28. Januar)

Platz 18 gehört der Comedian Hazel Brugger, die die Fernsehverbote der Kindheit so umschreibt: „Das war die Phase, in der Eltern ständig ihre Grenzen austesten.“ (8. April )

Platz 17: David Hildner, Kandidat von „Die Partei“. Er sagte beim TAGBLATT-Wahlpodium: „Ich unterstütze die Idee eines Nachtbürgermeisters, weil, wenn man nachts unterwegs ist, muss man dann keine Angst vorm Tagbürgermeister haben.“ (23. Mai)

Platz 16: Carlheinz Nisi schied mit Genugtuung aus seinem Mössinger Rektorenamt an der Steinlachschule. Er orakelte: „Ab jetzt entscheide ich selbst, wer mich ärgert.“ ( 15. Juli)

Platz 15: Mahmoud Ahma, ausgezeichneter Schüler und „Talent im Land“ war von der Sommerakademie, an der er teilnahm, rundum begeistert. „Es war nicht wie in der Schule – man hat verstanden, was man gelernt hat.“ (21. August)

Platz 15: Mahmoud Ahma. Archivbild: Ulrich Metz

Platz 15: Mahmoud Ahma. Archivbild: Ulrich Metz

Platz 14: Carsten Strähle, Vorstandsvorsitzender der Erms-Neckar-Bahn AG, hatte sich einen bemerkenswerten Entzug auf die Fahne geschrieben. „Wir gewöhnen den Zügen das Rauchen ab.“ (8. Oktober)

Platz 13: Stefan Ruge, Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, beklagte über das, was die entwurzelte Natur, aus dem Förster macht. „Sie rennen nur noch den trockenen Bäumen hinterher.“ ( 28. September)

Platz 12: Gunter Schmid, Bürgermeister von Neustetten, sah angesichts der Auflösung des Gutachter-Ausschusses seiner Gemeinde ganz neue Fluchtbewegungen voraus: „Wir haben nur ein kleines Stück Grenze zu Bondorf, das uns die Flucht in den Kreis Böblingen ermöglicht.“ (27. Februar)

Platz 11: Linken-Stadträtin Gerlinde Strasdeit wollte sich in der Vesperpausen-Diskussion des Tübinger Gemeinderates nicht so einfach hintanstellen. Sie klärte auf: „Die Linken, nicht die Grünen, waren beim Tofuwürstchen die Vorreiter!“ ( 18. Dezember)

Platz 10: Die Kriminalpolizei warnte – in unserer Fasnetsausgabe – vor einem neuartigen, raffinierten Trickbetrug. Der geht so: „Ich werfe das Geldstück jetzt hoch. Bei Kopf gewinne ich, bei Zahl verlieren Sie.“ (5. März)

Platz 9 gebührt Prof. Bernd Engler, Universitätsrektor, der erklärte im Senat der Universität in hellsichtiger Weise: „Ich hoffe, Ihre Frage damit wenigstens adressiert zu haben, ohne sie richtig beantwortet zu haben.“ ( 29. März)

Platz 8: Reiner Frey, Tübinger Landgerichtspräsident und sportlicher Radfahrer, sah eine gewisse kriminelle Energie am Werk. Denn: „Ich halte E-Bikes für eine Wettbewerbsverzerrung!“ (20. April)

Vegetarische oder echte Wurst? Bei einer Grillparty könnte der Tübinger Gemeinderat die Frage erörtern, in welcher Fraktion die wirklichen Pioniere der Tofuwurstdebatte sitzen. Archivbild: Karl-Heinz Kuball

Vegetarische oder echte Wurst? Bei einer Grillparty könnte der Tübinger Gemeinderat die Frage erörtern, in welcher Fraktion die wirklichen Pioniere der Tofuwurstdebatte sitzen. Archivbild: Karl-Heinz Kuball

Platz 7: Barbara Bosch bekannte sich bei ihrer Verabschiedung als Reutlingens OB zu einem amtlichen Versäumnis: „Erst durch Herrn Palmer bin ich jetzt am Ende meiner Amtszeit darauf aufmerksam geworden, dass ich überhaupt keinen Dienstausweis besitze!“ (2. April)

Platz 6: Dietmar Zug, Kandidat für den Hirrlinger Gemeinderat, erklärte, wie Wahlkampf geht. Nämlich so: „Man hält ab und an mit dem Auto und spricht mit den Leuten.“ (18. Mai)

Platz 5: Der Tübinger Autor und Literaturexperte Rolf Vollmann bewunderte vorbehaltlos das Werk von Hermann Hesse: „Fabelhafte Bücher – aber ich weiß nicht, warum sie so fabelhaft sind.“ ( 24. August)

Platz 4: Boris Palmer, Tübinger Oberbürgermeister, hat wirklich uneingeschränkt recht. Wenn er sagt: „Wir können nicht so lange diskutieren, bis der Klimawandel vorbei ist.“ (9. Oktober)

Platz 3: Sonst zweiter Mann in der Stadt, aber hier rangiert er vor dem Oberbürgermeister. Cord Soehlke machte ein grandioses Angebot: „Wenn jemand die Parkgaststätte haben will, kann er sie abholen.“ ( 14. Dezember)

Platz 2: Michael Bamberg, Klinikumschef und Vorstandsvorsitzender der Tübinger Basketballer, ist zwar schon prominent, aber da geht immer noch was: „Loriot hat in „Pappa ante Portas“ praktisch mich gespielt.“ (18. Oktober)

Platz 1: Ganz klar gebührt Daniela Harsch die höchste Stufe des Siegertreppchens. Sie verdient allergrößte Bewunderung, denn sie brachte die nicht immer gendergerechte Tübinger Feuerwehrkneipe mit einem tollen Trick auf ihre Seite: „Ich bin unter 1,60 und blond: Mein Leben ist ein sexistischer Witz.“ (11. November)