Heute gehe ich allein nach Hause

Heute gehe ich allein nach Hause

Der brasilianische Regisseur Daniel Ribeiro erzählt mit leichter Hand von den ersten Liebeswirren eines blinden Teenagers.

25.03.2014

Von Ulla Steuernagel

Heute gehe ich allein nach Hause

Man merkt es ihm nicht auf den ersten Blick an: Leo (Ghilherme Lobo) ist blind. Er hat keinen Schimmer wie die Welt um ihn herum aussieht, er weiß noch nicht einmal, dass er selber ganz hübsch ist. Leo ist nämlich von Geburt an blind. Doch so anders seine Welt auch ist, seine Gedanken unterscheiden sich nicht besonders von denen eines gewöhnlichen 15-Jährigen. Er ärgert sich über seine Eltern, vor allem über seine überbehütende Mutter. Er will endlich Unabhängigkeit, möchte per Schüleraustausch ins Ausland gehen, und vor allem will er endlich den ersten Kuss, und den möglichst von der umschwärmten Karina. Außerdem will er endlich allein nach Hause gehen ("Hoje eu quero voltar sozinho").

Seine gute Freundin Giovana (Tess Amorim), die sich von Mitschülern gar als "Blindenhund" bespotten lassen muss, wird aber erst richtig eifersüchtig, als ein weiterer Teenager in Leos Leben tritt.

Der Junge heißt Gabriel (Fábio Audi), und allmählich stellt sich über die Freundschaft hinaus die gegenseitige Anziehung heraus. Dieser filmischen Coming-out-Variante ist durch die Blindheit des Jungen noch eine besondere Note hinzugefügt. Aber sie setzt nicht auf einen Mitleidseffekt. Regisseur Daniel Ribeiro zeigt Leo als eigenständige Persönlichkeit. Auch Hänseleien und Gemeinheiten zweier Klassenkameraden können ihn nicht aus der Bahn werfen. Diese Bösewichter sind etwas zu gemein geraten, um authentisch zu wirken. Schwer vorstellbar, dass sie im wahren Schulalltag nicht als Mobbing-Täter bestraft würden.

Doch das nimmt dem Film, der heute das Cine Latino eröffnet, nicht seine Leichtigkeit. Ribeiro beobachtet sensibel, setzt witzige Dialoge und wurde für seinen ersten Langfilm schon auf der Berlinale bejubelt. Mag sein, dass da auch ein gewisser Behinderten-Film-Bonus mit hineinspielte. "Ich wollte", so sagt der Regisseur, "einen Film über Liebe auf den ersten Blick machen, wenn man nicht durch das Äußere angezogen wird. Ich wollte zeigen, dass das Gefühl einfach in einem entsteht." Der Film wird im brasilianisch-portugiesischen Original mit englischen Untertitel um 20 Uhr im Kino Museum gezeigt. ust

Sensibler als die meisten Coming-out-Geschichten im Teenie-Milieu.