Therapie

Henris Worte hüpfen manchmal

Jedes 20. Schulkind stottert, auch der siebenjährige Henri. Das „Frankini-Programm“ hat ihm und seinen Eltern geholfen.

21.10.2021

Von epd

„Kassel, Bad Emstal. Ba-ba-ba-nane“ – so kann es klingen, wenn der siebenjährige Henri spricht. Er stottert. Früher hat er darauf mit viel Frust reagiert, wie seine Mutter Melanie Heuser erzählt. Heute sage er: „Meine Worte hüpfen eben manchmal.“ Er könne sein Stottern mittlerweile besser kontrollieren. Mit seinen Eltern hat er am „Frankini“-Programm der Kasseler Stottertherapie teilgenommen. Es wurde von dem Bad Emstaler Institut für Drei- bis Sechsjährige entwickelt, um ihnen zu helfen, flüssigeres Sprechen zu erlernen. Das Besondere: Die Eltern werden online zu Experten in Sachen Stottern gemacht.

„Sprechunflüssigkeiten lassen sich im jungen Alter gut behandeln. Je früher man damit beginnt, desto besser“, sagt Therapieleiterin Kristina Anders. Sie erklärt, dass in den ersten Lebensjahren die Sprachentwicklung schnell Fortschritte mache: Kinder redeten drauflos und verhaspelten sich dabei auch. Nicht alle Sprechunflüssigkeiten verschwänden jedoch von alleine: Heute unterscheide man schon bei sehr jungen Kindern, ob es sich um normale, nicht behandlungsbedürftige Unflüssigkeiten handele oder ob das Kind stottere. Etwa jedes 20. Schulkind ist den Angaben zufolge betroffen.

Stottern beginnt meist im Alter zwischen 2 und 5 Jahren, wie der Bundesverband für Logopädie erklärt. Manche Kinder würden beim Stottern lauter, bewegten den Kopf mit, andere versuchten, sich selbst zu helfen, indem sie flüsterten oder im Singsang sprächen.

Das Eltern-Kind-Programm „Frankini“ dauert ein Jahr. Die Eltern werden online so geschult, dass sie im Alltag mit ihren Kindern am Sprechen arbeiten können. Sie erfahren auch, woher Stottern kommt: „Es kann vererbt werden und hat eine neurologische Komponente.“

In der Therapie geht es außerdem darum zu verstehen, wie belastend Stottern für die Kinder ist. Das hat auch Melanie Heuser bei ihrem Sohn miterlebt. Manchmal sei er traurig und still gewesen, manchmal habe er vor Wut mit Schuhen geschmissen. Auch wenn das Stottern nicht heilbar sei, so habe sich im Verlauf der Therapie die Situation für ihren Sohn deutlich verbessert, sagt sie: „Henri geht viel entspannter und selbstbewusster damit um.“

Auf Anraten der Kinderärztin hätten sie und ihr Mann erst über die Sprechunflüssigkeiten hinweggesehen: „Mit dem Effekt, dass Henri zwar merkte, dass etwas nicht in Ordnung war, sich aber nicht ausdrücken konnte und frustriert war.“ Heute könne er benennen, was beim Sprechen nicht stimme, alles gehe leichter.

Während der ersten Therapiephase hat Henris Mutter die sogenannte weiche Sprechweise kennengelernt, die die Kasseler Stottertherapie einsetzt. „Mit Hilfe dieser Sprechtechnik lernen Kinder flüssiger zu sprechen, indem sie Wortanfänge dehnen, ihre Stimme dabei weich einsetzen und Laute glatt ineinander übergehen lassen“, erklärt Anders.

Sind die Grundlagen geschaffen, integrieren die Eltern mit ihren Kindern das „weiche Sprechen“ in den Alltag. Trainiert wird die Sprechtechnik auch in zwei Präsenzphasen, in denen die Teilnehmer spielerisch ihr Stottern und den Umgang damit kennenlernen. Das Ziel ist laut Anders, die Sprechfreude der Kinder zu wecken. „Henri hat jetzt eine Technik in der Hosentasche, die er anwenden kann, wenn er sie braucht“, sagt Henris Mutter Melanie Heuser. „Er ist jetzt selbstbewusst genug, auch mal zu stottern. Er weiß, dass das okay ist.“ epd

Tag soll die Aufmerksamkeit fördern

Am 22. Oktober ist Weltstottertag. Er macht auf die Belange stotternder Menschen aufmerksam – und auf Hilfsangebote.

Die Frankini-Therapie wird seit 2019 von der Kasseler Stottertherapie angeboten. Gegründet wurde das Institut 1996 von dem Arzt Alexander Wolff von Gudenberg, der selbst mit vier Jahren zu stottern begann. Seit 2014 gibt es auch Onlinetherapien.

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Erstellt:
21.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 47sec
zuletzt aktualisiert: 21.10.2021, 06:00 Uhr

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