Tübingen · Nachruf

Hanspeter Luterbacher: Ein Fels in der Brandung

Zum Tode des Mikropaläontologen Prof. Hanspeter Luterbacher.

28.11.2021

Von Jobst Wendt

Hanspeter Luterbacher.  Bild: Uni Tübingen / Wilfried Rönnfeld

Hanspeter Luterbacher. Bild: Uni Tübingen / Wilfried Rönnfeld

Nach kurzer Krankheit starb am 17. November völlig unerwartet unser hochgeschätzter Freund, Kollege und akademischer Lehrer Hanspeter Luterbacher im 84. Lebensjahr.

Er wurde am 8. Januar 1938 in Basel geboren, studierte an der dortigen Universität und promovierte 1964 mit „summa cum laude“ bei Manfred Reichel mit einer Arbeit über planktonische Foraminiferen des Alt-Tertiärs im Kreide/Tertiär-Typusprofil von Gubbio in Umbrien.

Nach kurzer Tätigkeit als Assistent am Geologisch-Paläontologischen Institut der Universität und am Naturhistorischen Museum Basel ging Luterbacher als Research Geologist zu den Esso Production Research European Laboratories in Règles bei Bordeaux, wo er überwiegend für Erdöl-Bohrungen in der Nordsee, im Mittelmeerraum, in Westeuropa und Westafrika verantwortlich war.

1972 und 1973 nahm er an zwei Forschungsfahrten des Deep Sea Drilling Project im zentralen Atlantik und im Pazifik teil. Schwerpunkt seiner Arbeit waren meist die planktonischen Foraminiferen der Kreide und des Tertiärs, insbesondere in den südlichen Pyrenäen, in Südafrika, den USA und Mexiko. 1977 folgte Luterbacher dem Ruf auf den Lehrstuhl für Mikropaläontologie an der Universität Tübingen, den er bis zur Emeritierung 2003 innehatte.

Angesichts seiner stets engen Bindung an Spanien war es fast selbstverständlich, dass er danach in dieses Land übersiedelte, wo er die kalte Jahreszeit in Barcelona und die warme in Menorca, der Heimat seiner Frau, verbrachte. Oft waren seine Freunde zu Gast in dem gemütlichen Haus direkt am Meer, genossen die katalanische Küche und den (damals noch kaum zu findenden) ausgezeichneten lokalen Wein. In einem Jesuiten-Kolleg in der Nähe zu seiner Wohnung in Barcelona hatte er wissenschaftliches Asyl gefunden und konnte sich in seiner umfangreichen Bibliothek weiter seinen geologischen und paläontologischen Interessen widmen. Leider war es ihm nicht vergönnt, sein Projekt eines geologischen Führers über Menorca zu Ende zu führen. Nach dem frühen Tod seiner Frau vor drei Jahren wurde es ziemlich einsam um ihn, obwohl die Besuche seiner Kinder und Enkelkinder ihm immer wieder freudige Momente schenkten.

Hanspeter Luterbacher war in mancherlei Hinsicht ein außergewöhnlicher Mensch, dessen Haupt-Charakter Bescheidenheit und Zurückhaltung waren. Auf Exkursionen und bei der Einführung seiner Schüler ins Gelände erwies er sich aber als ein sehr mitteilsamer, hervorragender akademischer Lehrer. Er besaß ein umfangreiches Wissen auf dem Gesamtgebiet der Geologie und Paläontologie, dessen Breite seine Kollegen kaum ahnten.

Als ich ihn, als es noch keine Internet-Recherche gab, einmal nach weiterführender Literatur über ein ihm völlig fremdes Spezialgebiet fragte, stieg er auf die lange Leiter in seiner Bibliothek, zog einen Band einer mir völlig unbekannten Zeitschrift hervor, schlug eine Seite auf und sagte: „Dieser Artikel könnte Dir weiterhelfen.“ Es war genau der richtige Hinweis. Damals war englisch noch nicht die weltweite Wissenschaftssprache, aber Luterbacher las die ihn interessierenden Publikationen mühelos in der jeweiligen Fremdsprache. Spanisch, katalanisch, französisch und englisch sprach er fließend; italienisch hatte er während seiner Arbeiten im Apennin gelernt, russisch während eines Aufenthaltes am Geologisch-Paläontologischen Institut der Akademie der Wissenschaften in Moskau.

Sein Engagement in der akademischen Weiterbildung zeigt sich auch in der beeindruckenden Zahl der von ihm betreuten Doktorarbeiten; es dürften deren 25 bis 30 gewesen sein. Einige der von ihm ausgebildeten Schüler besetzen heute hochrangige Stellen in den Geowissenschaften.

Ein gerne besuchter und allseits beliebter Treffpunkt für Freunde und Schüler war sein Haus in der Tübinger Goethestraße, wo die Kochkunst seiner Frau und der unerschöpfliche Weinkeller immer zu langen geselligen Abenden führten. Luterbachers Weggang aus Tübingen hinterließ ein Vakuum, denn den Verlust des Felses in der Brandung des Instituts konnte trotz E-Mail und Skype niemand ersetzen.

Jetzt haben wir einen sehr guten und anhänglichen Freund und Kollegen für immer verloren. Unser Gedenken und unser Mitgefühl gelten seinen drei Kindern und fünf Enkelkindern, denen wir die plötzlich entstandene Leere mit Worten nicht füllen können.

Der Autor

Jobst Wendt war selbst Professor für Geologie und Paläontologie an der Universität Tübingen. Seit 1998 ist er im Ruhestand und lebt in Hagelloch.