Tübingen · Synergy Grant

Hirnforschung: Handschlag oder Kopfschütteln

Tübinger Hirnforscher bekommen 2,7 Millionen Euro. Sie wollen herausfinden, wie Menschen Körpersprache verarbeiten.

16.10.2019

Von ST

Der Tübinger Neurowissenschaftler Prof. Martin Giese erhält einen „Synergy Grant“ des Europäischen Forschungsrats. Der Grant ist mit insgesamt 8 Millionen Euro ausgestattet, von denen 2,7 Millionen nach Tübingen fließen. Mit dem Geld soll in den nächsten fünf Jahren erforscht werden, wie das menschliche Gehirn Körpersprache für die nichtverbale Kommunikation analysiert.

Giese leitet am Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften der Universität Tübingen (CIN) und am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) die Sektion für Theoretische Sensomotorik, die theoretische Neurowissenschaften mit Anwendungen in der biomedizinischen Technik verbindet. Gemeinsam mit zwei europäischen Partnern will Giese herausfinden, wie die Körperhaltungen oder -bewegungen anderer Menschen wahrgenommen und verarbeitet werden: „Wir wollen besser verstehen, wie unser Gehirn solche Signale analysiert und die zugrundeliegenden Berechnungsprozesse herausfinden.“ Ein soziales Signal kann ein Handschlag sein, ein Kopfschütteln, eine reservierte oder besonders offene Körperhaltung.

Mit Hilfe von Computeranimationen und Geräten, die mit virtueller Realität arbeiten (etwa Brillen), wollen die Forscher analysieren, welche Hirnregionen beteiligt sind, welche Berechnungen sie ausführen und wie sie miteinander kommunizieren.

Ziel ist es, die Analyse von Körpersignalen zu verbessern, speziell in der virtuellen Realität. Das kann unter anderem den Einsatz intelligenter Überwachungskameras verbessern. Mit den Erkenntnissen kann man theoretisch auch Avatare programmieren, die wie Menschen kommunizieren können, oder Roboter bauen, die menschliche Körperbewegungen verstehen. In der Medizin können die Forschungsergebnisse genutzt werden, um Personen mit emotionalen Kommunikationsstörungen zu trainieren. Menschen mit Autismus haben etwa häufig Probleme, die Körpersprache anderer richtig zu interpretieren oder sie selber korrekt einzusetzen.

Begehrte Grants

Die „Synergy Grants“ sind sehr begehrt, es gibt entsprechend viele Anträge auf die Gelder. Vergeben werden sie im Rahmen des Förderprogramm des European Research Council (ERC). Die dort geförderten Projekte überschreiten die traditionellen Grenzen der Disziplinen: Unterstützt werden Teams aus zwei bis vier exzellenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die ihr Projekt nur in dieser Zusammensetzung zum Erfolg führen können.