Tübingen

Halbwahrheiten

Bislang liegt für Asylsuchende aus dem westafrikanischen Gambia die wahrscheinlichste Perspektive in einer Abschiebung. Wäre ein Bleiberecht auf Zeit ein Gegenmodell dazu? Unter anderem darum ging es bei einer Podiumsdiskussion in Tübingen („Das Knowhow der Gambier nützen“, 6. Juli).

07.07.2018

Von Norbert Kreuzkamp, Tübingen

Liebe Ulla Steuernagel,

wir kennen Sie als faire und kluge Berichterstatterin. Und das gilt, so meine ich, auch für den Hauptteil Ihres Artikels.

Warum stehen in Ihrem Artikel manche „mit einem Bein im Gefängnis, weil sie sich und ihre Familien mit Drogendeals finanzieren“? Sollte man so salopp und unkend künftig auch über „Männer“ oder „Tübinger“ schreiben, für die Ihre Aussage wohl gleichermaßen gelten könnte? Ein guter Lokaljournalismus braucht keine selbstgerechte oder gar hämische Gruppenzuschreibung im Sinne „Wir wissen das ja alle!“, und schon gar nicht eine „nationale“. Wäre es denn fair, wenn wir schrieben, dass halt „manche“
Italiener doch gerne Mafiamethoden anwenden und das Rechtsverständnis „mancher“ Deutscher wieder einmal auf eine „totale Durchsetzung ohne Erbarmen“ zielt?

Die Aussage, „nicht wenige Gambier ... versorgen die Familie in Afrika über ihre Sozialhilfe mit“, mag eine Hypothese Ihrerseits sein; haben Sie das anhand von Statistiken recherchiert? Berichtet wurde darüber, dass die Rücküberweisungen von Menschen ins Heimatland eine wichtige ökonomische Bedeutung für Gambia hat. Keiner glaubt wohl ernsthaft, dass diese wirtschaftliche Strahlkraft sich aus den knapp hundert Euro Essens- und Taschengeld erzeugen ließe, die sich junge Geflüchtete hier im Kreis monatlich abhungern könnten.

Ich wünsche mir einen klugen, nachdenklichen und informativen Lokaljournalismus, der auf Zuschreibungen, Halbwahrheiten und Populismen verzichtet.

Danke.