Rottenburg · Corona

Halb leer oder überfüllt?

Busse und Bahnen fahren nach dem Ferien-Fahrplan. Da fällt das Abstand-Halten manchmal schwer.

01.04.2020

Von Michael Hahn

Die Kapellen-Linie 18 fährt von Oberndorf zum Rottenburger Eugen-Bolz-Platz, von dort weiter über Wurmlingen und Hirschau zum Tübinger Europaplatz und dann hinauf zu den Schnarrenberg-Kliniken. Am Wochenende endet die Fahrt am Europaplatz. Archivbild: Michael Hahn

Die Kapellen-Linie 18 fährt von Oberndorf zum Rottenburger Eugen-Bolz-Platz, von dort weiter über Wurmlingen und Hirschau zum Tübinger Europaplatz und dann hinauf zu den Schnarrenberg-Kliniken. Am Wochenende endet die Fahrt am Europaplatz. Archivbild: Michael Hahn

Die Osterferien haben offiziell noch gar nicht begonnen, doch im regionalen Tarifverbund Naldo (Neckar-Alb-Donau) gilt seit anderthalb Wochen fast überall der Ferienfahrplan. Es fahren also weniger Busse und Züge als sonst. Schließlich bleiben die Schüler/innen ja jetzt schon zu Hause. Außerdem müssen die Verkehrs-Unternehmen ihren Personal-Einsatz reduzieren, um sich für die volle Wucht der Corona-Epidemie zu wappnen.

Aber das Sparprogramm hat auch einen gravierenden Nachteil: In den verbleibenden Bussen und Zügen müssen die Fahrgäste nun enger zusammen rücken.

Das hat eine Rottenburgerin beobachtet, die im Tübinger Behördenviertel arbeitet, aber nicht namentlich genannt werden will. Sie fährt morgens immer mit der Regionalbus-Linie 18 von Rottenburg über Wurmlingen nach Tübingen – und nachmittags zurück. Am Dienstag mailte sie an die TAGBLATT-Redaktion: „Gestern: Alle Sitzplätze sind belegt, 15 Personen sind gestanden. Abstand 1,50 Meter: unmöglich!“ Die tägliche Busfahrt zur Arbeit gerate so „zum Spießrutenlaufen und ist im höchsten Maße gesundheitsgefährdend und gefährlich!“

In ihrem Feierabendbus am Dienstag seien es etwa 45 Fahrgäste gewesen, sagte uns die Rottenburgerin auf Nachfrage, und gestern 38. Das entspricht etwa der Zahl der Sitzplätze in den – insgesamt sehr geräumigen – Gelenkbussen der Rottenburger Omnibusfirma Groß, die die Linie 18
betreibt.

Zusatzbusse in den Stoßzeiten

Deren Chefin Claudia Groß hat gerade erst eine schwere Fieber-Woche überstanden; ob es Corona war, weiß sie nicht. Immerhin: Von ihren Busfahrern sei noch keiner erkrankt. Auf Bitte des TAGBLATTs hat Groß nochmals ihre Busfahrer befragt: Keiner habe aktuell von überfüllten Fahrzeugen berichtet. Meist seien es „20 bis 25“ Fahrgäste, die könnten im Bus einigermaßen Abstand halten. Bei Omnibus Groß seien auch noch keine Beschwerden eingegangen.

In der vergangenen Woche musste Claudia Groß ständig vom Krankenbett aus telefonieren. Krisen-Management von Tag zu Tag. Die Bus-Unternehmerin ist Mitglied im Naldo-Aufsichtsrat, da gab es viel zu besprechen. Außerdem muss Groß alles, was die Linie 18 hinauf zu den Tübinger Kliniken betrifft, mit dem Tübinger Stadtverkehr (SVT) abstimmen.

Der SVT hat nicht auf den Ferien-Fahrplan umgestellt, sondern auf den Samstags-Fahrplan. Das ist für die Linie 18 ein gravierender Unterschied. Denn samstags endet sie am Tübinger Europaplatz. Klinik-Beschäftigte müssen dort in andere Busse umsteigen.

Das sei doch widersinnig, protestierte Groß. Das Umsteigen bringe ein zusätzliches Infektionsrisiko mit sich – ausgerechnet für das Klinikpersonal. Die Linie 18 kehrte also zum Ferienfahrplan mit seinen durchgehenden Verbindungen zurück. Ähnlich ist es nun auch für die Linie 19 geregelt (von Bühl über den Europaplatz zu den Kliniken).

Außerdem lässt Groß in den morgendlichen und abendlichen Stoßzeiten zusätzliche Verstärkerbusse fahren, so dass zwischen Rottenburg und Tübingen ein Viertelstunden-Takt entsteht. Im Notfall, sagt Groß, könnte man also auch mal auf den nächsten Bus warten, wenn der aktuelle Bus zu voll sei.

Einnahmen fallen weg

Auch die genannte Rottenburgerin lobt die Busfirma. Groß sei „wirklich sehr bemüht“. Außerdem müsse die Linie 18 auch noch auffangen, dass die Bahn auf der Neckartalstrecke weniger Züge einsetzt, vermutet sie. Dadurch würden womöglich bisherige Zug-Fahrgäste zum Bus wechseln. Ob das tatsächlich so ist, kann Claudia Groß nicht bestätigen – weil ihre Busfahrer aus hygienischen Gründen derzeit ja keine Tickets mehr verkaufen oder kontrollieren.

Die ausfallenden Einnahmen (auch durch gekündigte Abos und Schülermonatskarten) werden noch ein Riesenproblem für die Verkehrsunternehmen, fürchtet Groß. Sie hofft auf finanzielle Hilfe vom Land. Die Linie 18 betreibt Groß übrigens „eigenwirtschaftlich“. Das heißt: „Wir bekommen dafür kein Geld vom Landkreis.“

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Erstellt:
01.04.2020, 21:17 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 46sec
zuletzt aktualisiert: 01.04.2020, 21:17 Uhr

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