Justizvollzug

Hängepartie um Gefängnisklinik

Der Standort Hohenasperg ist modernen Anforderungen nicht mehr gewachsen, eine Sanierung sinnlos. Doch der geplante Neubau in Stammheim wird vom Denkmalschutz blockiert.

16.08.2021

Von THEO WESTERMANN

Die Gefängnisklinik Hohenasperg aus der Luft: Die Landesregierung will einen neuen Standort für die Einrichtung. Foto: Werner Kuhnle

Die Gefängnisklinik Hohenasperg aus der Luft: Die Landesregierung will einen neuen Standort für die Einrichtung. Foto: Werner Kuhnle

Stuttgart. Überaltert, nicht mehr sanierungsfähig, überlastet: Am Thema Neubau für das Justizvollzugskrankenhaus auf der Festung Hohenasperg bei Asperg (Landkreis Ludwigsburg) arbeiteten sich alle Justizminister der vergangenen Jahre bereits ab. Verschiedene Fraktionen unternahmen ebenfalls Initiativen – bisher alles vergeblich. Nun muss die neue Justizministerin Marion Gentges (CDU) das Problem lösen.

Seit 1968 betreibt das Land auf dem Hohenasperg das Krankenhaus des baden-württembergischen Justizvollzugs, davor war am Standort sowohl Krankenhaus- wie Gefängnisnutzung. Es ist die zentrale Einrichtung für die stationäre medizinische Versorgung aller männlichen und weiblichen Gefangenen im Land und verfügt derzeit über 121 Betten. Der Bedarf für stationäre Behandlungen steigt seit Jahren: So gibt es beispielsweise immer mehr suchtkranke Häftlinge. Die Sicherungsmöglichkeiten auf dem Hohenasperg sind begrenzt, die medizinisch-technische Ausstattung veraltet und bescheiden, die Unterbringung der dortigen Sozialtherapeutischen Anstalt ebenfalls unbefriedigend. Und es gibt die Erkenntnis, dass eine grundlegende Sanierung vor Ort keinen Sinn macht. Deshalb verfolgt das Justizministerium seit vielen Jahren den Bau eines neuen Krankenhauses in Stuttgart. Doch der Wunschstandort neben der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stuttgart ist blockiert.

Immer mehr psychisch Kranke

Schon lange arbeitet das Krankenhaus vor allem im psychiatrischen Bereich an seiner Kapazitätsgrenze. Die Zahl psychisch auffälliger Gefangener wächst stetig. „Hinzu kommt, dass viele psychisch auffällige Gefangene aus Sicherheitsgründen und aufgrund besonderer Erfordernisse zum Teil nicht zusammen in Gemeinschaftschafträumen untergebracht werden können. Deshalb können einige vorhandene Betten nicht belegt werden“, so Ministeriumssprecher Robin Schray.

Wenn die Möglichkeiten in den JVA, einen Gefangenen zu behandeln oder zu beobachten, nicht ausreichen, wird der Betroffene auf den Hohenasperg verlegt. Behandlungen in Krankenhäusern vor Ort sind die Ausnahme. Allerdings ist auch das Vollzugskrankenhaus angesichts eingeschränkter eigener Möglichkeiten immer wieder auf die Kooperation mit Kliniken und Ärzten in der Umgebung angewiesen.

Vorgesehen ist ein Neubau eines „interdisziplinären Krankenhauses mit psychiatrischem Schwerpunkt“, so das Ministerium. Aufgegliedert nach einzelnen Stationen soll das neue Krankenhaus 205 Betten bieten, davon 150 in der psychiatrischen Abteilung. Mit einem Neubau in Stuttgart erhofft sich das Land auch bessere Chancen bei der Gewinnung medizinischen Personals. Alle Gefängnisse im Land tun sich dabei schwer. „Bewerbermangel und eine hohe Fluktuation führen im ärztlichen Dienst des Justizvollzuges zu häufigen Stellenvakanzen“, hieß es jüngst in einem Bericht.

Abriss in Stammheim fraglich

Justiz- wie Finanzministerium präferieren einen Neubau bei der JVA Stuttgart im Stadtteil Stammheim, südlich der neuen Unterkunftsgebäude. Doch dies ist der Knackpunkt: Dort befindet sich der leerstehende Verhandlungssaal, in dem ab den 70er Jahren die großen RAF-Prozesse geführt wurden. Vor Jahren wurde daneben ein neuer Hochsicherheits-Verhandlungssaal für das Oberlandesgericht Stuttgart gebaut. 2013 hat das Landesdenkmalamt im Regierungspräsidium Stuttgart bereits die Denkmaleigenschaft des einstigen Mehrzweckgebäudes und des Baus 1 (Gefängnishochhaus) der JVA Stuttgart festgestellt – wegen ihrer zeit- und lokalgeschichtlichen Bedeutung. Das Land hat nun im Prinzip eine gesteigerte Erhaltungspflicht.

Allerdings gilt diese nicht unbegrenzt, sprich bei guten Gründen ist ein Abbruch möglich. Das Finanzministerium hat unterdessen einen Abbruchantrag gestellt. „Der Antrag umfasst eine ausführliche Begründung für die Notwendigkeit des Abbruchs des Mehrzweckgebäudes, das gegenwärtig das einzig noch bebaubare Areal am Standort für den Neubau des Justizvollzugskrankenhaus (JVK) blockiert,“ bestätigt eine Sprecherin des Finanzministeriums unserer Zeitung. Das Regierungspräsidium Stuttgart als Denkmalschutzbehörde prüft, ob der Abbruch möglich ist.

Das Areal ist für die zuständigen Ministerien der einzig mögliche Standort für den Neubau. Das Gefängnishochhaus, dessen Fläche ebenfalls in Blick geriet, wird aufgrund des Belegungsdrucks in den Gefängnissen weiterbetrieben. Ein Standort westlich der JVA war ebenfalls nicht realisierbar, ebenfalls einer in Ludwigsburg. Weitere Standorte für einen Neubau in unmittelbarer Nähe zur JVA Stuttgart sind derzeit nicht ersichtlich oder „nicht geeignet“, heißt es im Finanzministerium.

Eine Verlagerung des Krankenhauses nach Stuttgart brächte auf dem Hohenasperg Luft für eine modernisierte Sozialtherapeutische Anstalt. Die 60 sollen auf 120 zeitgemäße Haftplätze erweitert werden. Eine Kommission zum Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen hatte bereits 2015 empfohlen, die Zahl dieser Plätze deutlich zu erhöhen. Der Anfang 2021 veröffentlichte Abschlussbericht einer Expertenkommission zur Medizinischen Versorgung im Justizvollzug zog ebenfalls eine kritische Bilanz. Sie sprach sich für den Bau eines neuen Krankenhauses auf dem Gelände der JVA Stuttgart aus. Im aktuellen Koalitionsvertrag steht: „Zur Unterbringung der steigenden Gefangenenzahlen werden wir zudem den Bau der neuen Justizvollzugsanstalt in Rottweil sowie die Planung und den Bau für ein neues Justizvollzugskrankenhaus weiter vorantreiben.“

Die Ausstattung in dem Justizkrankenhaus gilt als veraltet, der Bau als nicht sanierungsfähig. Foto: Christoph Schmidt

Die Ausstattung in dem Justizkrankenhaus gilt als veraltet, der Bau als nicht sanierungsfähig. Foto: Christoph Schmidt

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Erstellt:
16.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 19sec
zuletzt aktualisiert: 16.08.2021, 06:00 Uhr

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