Tübingen · Ausstellung

Hackebeilchen, Puppenärmchen

Was der Künstler Björn Voigt im „geheimen Leben der Maschinen“ aufspürt, zeigt eine skurrile Schau im Sudhaus.

23.09.2019

Von Dorothee Hermann

Björn Voigt mit seinem „Zirkus Umbrella“ am Freitagabend im Tübinger Sudhaus.Bild: Anne Faden

Björn Voigt mit seinem „Zirkus Umbrella“ am Freitagabend im Tübinger Sudhaus.Bild: Anne Faden

Dass sogar Maschinen ihre kuriosen, poetischen und zarten Seiten haben, beweisen die wunderlichen Kreationen des Tübinger Künstlers Björn Voigt. Vielleicht bedarf es einer zartfühlenden und zugleich zupackenden Natur wie der seinen, um an seelenlosen Apparaturen solche Aspekte überhaupt wahrzunehmen und zum Vorschein zu bringen – beziehungsweise Maschinen herzustellen, die entsprechende Ausdrucksfähigkeiten besitzen.

„Das geheime Leben der Maschinen“ heißt seine aktuelle Ausstellung in der Galerie Peripherie im Sudhaus Tübingen. Mechanischen Konstruktionen oder Einzelteilen ihren Zauber und ihr verborgenes Nonsens-Potenzial abzulauschen, übt der 59-Jährige seit langem an der 1984 von ihm gegründeten Universität Dadala.

Die Gäste der Vernissage am Freitagabend begeisterte der Künstler als Impresario seines märchenhaften „Zirkus Umbrella“, ein nagelneuer Ableger von Voigts angestammtem Circus Comme-Ci, mit dem er auch schon in der Tübinger Altstadt zu sehen war, vor allem aber auf seinen Sommertourneen in Südfrankreich.

Unter einem altmodischen schwarzen Regenschirm setzt sich zu Musik ein Miniatur-Zirkus in Gang. Eine der Glanznummern dürfte der motorisierte Hochseilartist vor einer altertümlichen Häuserzeile sein. Ein kleiner Akrobat ist das zierliche Gegenstück zur Konstruktion „Der Akrobat“ und stemmt sich wie dieser zwischen zwei aus alten Zinntellern gefertigten Zier-Stühlen in die Höhe.

Voigt kombiniert Puppenköpfe, oder auch nur Puppenärmchen und -beinchen mit Seidenblumen oder selbst entworfenen Musikinstrumenten zu hinreißenden Nonsens-Apparaturen, die Kinder und Erwachsene staunen lassen. Zeithistorische Fundstücke wie ein Dynamo aus der DDR für eine Fahrradlampe finden sich ebenfalls in seinen Konstruktionen.

Ein silberfarbenes Mobile, das von ferne aus schmalen, eleganten Flugobjekten zusammengesetzt scheint, erweist sich bei näherem Hinschauen als Sammelsurium ehemaliger Sezier-Instrumente. „Das ist ein altes Pathologiebesteck“, sagte der Künstler. „Das große Messer ist granatenscharf.“

Durch einen Kontakt in der Alten Anatomie in der Doblerstraße kam er an die Instrumente, die jahrelang unbeachtet im Zimmer eines längst emeritierten Professors verstaubten. Auch kleine Hackebeilchen waren darunter, von denen Voigt nicht weiß, wofür sie verwendet wurden. „Das will man eigentlich gar nicht so genau wissen“, sagte ein Besucher. Der Mann aus dem Steinlachtal hatte den Künstler vor Jahren mit seinem Zirkus im toskanischen San Gimignano erlebt und freute sich, anlässlich der aktuellen Ausstellung die Bekanntschaft zu erneuern und sich wiederum von den Reizen der Voigtschen Maschinen bezaubern zu lassen.