Kathrin Kammerer hat am Wochenende Bier geschleppt

Ha dau bisch aber it aus Bühl, od’r?

Von Schlachtplatte hab’ ich jetzt aber erstmal genug! Nicht aus veganen oder sonstigen ernährungstechnischen Gründen. Sondern weil ich am Wochenende fast hundert davon an hungrige Besucher auf der Bühler Sichelhenke verkauft habe.

18.09.2017

Von Kathrin Kammerer

Lächeln und den Überblick nicht verlieren: TAGBLATT-Volontärin Kathrin Kammerer beim Bedienen im Bühler Sichelhenke-Festzelt. Bild: Faden

Lächeln und den Überblick nicht verlieren: TAGBLATT-Volontärin Kathrin Kammerer beim Bedienen im Bühler Sichelhenke-Festzelt. Bild: Faden

Es ist kurz vor 5 Uhr, Schichtbeginn am Samstag. Vom Kassier des Musikvereins gibt’s 152 Euro Wechselgeld. Geldbeutel und ähnliches Equipment bringen die meisten Bedienungen selbst mit. Heute sind wir zu zehnt in einem Festzelt, das, wenn es voll ist, 900 Leute fasst. Eher langsam trudeln zunächst die ersten Rentner ein und trinken die erschde Halbe, ‘s erschde Schorle und essed die erschde Schlachtplatt. (Wer koi Schwäbisch ka, isch uf so ‘me Fescht nämlich ziemlich verlore.)

Neben dem passenden Dialekt sollte die Festzeltbedienung schlagfertig sein, auch mal einen deftigen Spaß verstehen und Betrunkene resolut im Zaum (und auf Abstand) halten können. Außerdem hilft es, schwäbische Speise- und Trinkregeln zu kennen. Radler ist grundsätzlich immer süß, wer aber ein saures bestellt, will auch DEFINITIV ein saures und betont das zur Sicherheit noch mehrere Mal. Schorle dagegen wird vom Weinkenner in stillschweigendem Einvernehmen mit der Bedienung IMMER (!) sauer erwartet. Russ ist ein Heferadler, Diesel ein Colabier.

Es hilft auch, sich Trinkgewohnheiten größerer Gruppen zu merken – zu späterer Stunde wird oft nur noch via gehobenem Glas quer durchs Zelt eine neue Runde für den ganzen Tisch bestellt beziehungsweise herbeigewunken. An dieser Stelle sei geraten: Den eigenen Namen sollte man den Besuchern nicht verraten, sonst wird er ab da nämlich für die nächste Bestellung quer durchs Zelt gebrüllt.

Sonntagmittag kommt dann auf einen Schlag gefühlt das ganze Dorf gesammelt zum Essen. Es herrscht recht wenig Verständnis für längere Wartezeiten, das Zupfen am Oberteil oder den nervös tippenden Finger im Rücken sollte man freundlich aber bestimmt abwimmeln. Bloß nicht aus dem Konzept bringen lassen lautet die Devise. Verrechnet man sich nämlich, muss man die Differenz aus dem eigenen Geldbeutel bezahlen.

Wer ordentlich schleppen kann, ist klar im Vorteil – über ein Kilo wiegt allein eine Halbe samt Glas. Die Regel lautet: Wer mehr aufs Tablett bekommt, macht mehr Umsatz und verdient auch mehr. Servierregeln kann man im Festzelt getrost außen vor lassen: Hauptsach‘, dia Rote und dia Halbe kommed rechtzeitig uff d’ Tisch! (Am beschde pünktlich um Zwölfe!) Der Geräuschpegel ist hoch, oft stressig hoch: Kinder, Gespräche, Gesänge, Musik. Blasmusik und Schlager sollte eine Festzeltbedienung übrigens auch mögen.

Ha, zu wem ghersch au du? Bisch aber koi Bühlere ... – Nene, ich komm’ aus Zimmern, bei Rottweil! – Ha, wa machsch au du in Bühl?

Und damit zur letzten Regel: Wer auf einem Dorffest bedient und nicht aus selbigem Dorf kommt, muss plausibel erklären können, wieso. Schwierig wird’s, wenn zwischen Heimatort und Bedienort große und prägende regionale Grenzen verlaufen. Als ich mit 15 Jahren im (wichtig: badischen) Dorf Niedereschach bedient habe, wurde mir eben diese Frage gestellt. Problem dabei: Ich komme aus dem (wichtig: württembergischen) Dorf Zimmern. „Wa, dau kunnsch von drübe??!“ war damals die entsetzte Antwort. Seither weiß ich, dass es neben dem Weißwurstäquator auch noch andere, unsichtbare innerdeutsche Grenzen zu geben scheint.

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Erstellt:
18.09.2017, 20:30 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 33sec
zuletzt aktualisiert: 18.09.2017, 20:30 Uhr

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