Kino

„Gute Stoffe sind wie Liebe auf den ersten Blick“

Jochen Laube produzierte Hits wie „Ich bin dann mal weg“. Nun wird der Ludwigsburger mit dem Baden-Württembergischen Ehrenfilmpreis gewürdigt.

02.12.2020

Von DIETER OSSWALD

Baden-Württembergs wichtigster Filmproduzent: Jochen Laube von der Ludwigsburger Firma Sommerhaus. Foto: AFP

Baden-Württembergs wichtigster Filmproduzent: Jochen Laube von der Ludwigsburger Firma Sommerhaus. Foto: AFP

Ludwigsburg. Vom Kartenabreißer zum erfolgreichen Filmproduzenten: Die Karriere von Jochen Laube, 42, taugt selbst als Stoff eines Kinomärchens. Als Teenager bewarb sich der Filmfreak im Ludwigsburger „Scala“. Danach: Studium an der dortigen Filmakademie, Entdeckung durch Erfolgsproduzent Nico Hofmann, Silberner Bär für „Kreuzweg“ auf der Berlinale 2014. Zum Kassenknüller geriet die Verfilmung von Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“. Nach dem Erfolg von „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ folgte mit „Berlin Alexanderplatz“ von Burhan Qurbani der Gewinn von fünf Lolas. An diesem Mittwoch wird Laube bei der ins Internet verlegten Filmschau Baden-Württemberg mit dem Ehrenfilmpreis gewürdigt.

Herr Laube, Ihre Firma Sommerhaus residiert in Ludwigsburg, wo Sie studierten. Taugt die Provinz als Pflaster für großes Kino? Müssten Sie nicht nach München oder Berlin?

Jochen Laube: Wir haben seit unserer Gründung 2006 auch ein Büro in Berlin, wo mein Partner Fabian Maubach arbeitet. Aber der Standort spielt gar keine Rolle, man kann in Ludwigsburg genauso gut Filme produzieren. Das wäre auch von Helgoland möglich. Die Branche vertraut uns mittlerweile.

„Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ geriet 2019 zum Publikumserfolg, „Lola“ inklusive. Was hat den Film so populär werden lassen?

Das hat natürlich etwas zu tun mit Caroline Link und ihrem vorigen Erfolg „Der Junge muss an die frische Luft“. Zudem ist der Roman sehr bekannt. Auch hier haben wir anscheinend einen Zeitgeist getroffen, der ganz unterschiedliche Generationen gleichermaßen anspricht und bewegt. Fünftklässer wissen, dass es die Judenverfolgung in Deutschland gab. Dennoch gab es für Kinder kaum Filme, die davon erzählten.

„Berlin Alexanderplatz“ zählte zu den Favoriten der Berlinale. Dennoch gingen Sie leer aus. Sind Festivals so ungerecht wie jene Wirklichkeit, die im Film geschildert wird?

Nein! Von „In den Gängen“ weiß ich ja noch, dass man vom Festival vorab diesen berühmten Anruf bekommt, wonach man unbedingt anwesend sein solle. Diesmal hat das Telefon nicht geklingelt, trotzdem sind wir gemeinsam erhobenen Hauptes zu der Preisverleihung gegangen. Schließlich hatten wir eine wunderbare Premiere auf der Berlinale mit begeisterten Reaktionen von Publikum und Presse.

Weshalb brauchte es eine Neuauflage des Klassikers? Was reizte Sie an dem Projekt?

Vor sechs Jahren kam Burhan Qurbani mit dieser Idee in unser Büro. Und ich sagte: „Da ist die Tür!“. Doch dann erklärte er mir seine Prämisse. Aus Franz wird Francis, ein Flüchtling im heutigen Berlin. Die Geschichte von Bieberkopf wiederholt sich hundert Jahre später. Diese Vision fand ich grandios, weil sie sich einfach richtig anfühlte.

Was ist das wichtigste Elemente für einen Kinoerfolg?

Elementar ist eine Geschichte, die einen nicht mehr los lässt. Selbst wenn man nur drei Sätze der Story gehört hat, sollte man am nächsten und übernächsten Tag noch daran denken müssen. Gute Stoffe sind wie Liebe auf den ersten Blick. Dieses Gefühl von verliebt sein braucht man, immerhin ist man fünf Jahre lang mit einem Projekt beschäftigt.

Welche Qualitäten braucht ein Produzent?

Man sollte auf sein Bauchgefühl hören können. Und man braucht ein Grundvertrauen. In einem Team arbeiten 70 Menschen, denen man ihren Freiraum lassen sollte. Nur in solch einer Arbeitsatmosphäre wird man vom Szenenbildner oder der Maske überrascht werden, was dem kreativen Prozess nur nützen kann.

Wie wichtig sind Stars im Film?

Für mich sind Stars nicht wichtig. Ich habe mich nie für den Berühmteren entschieden, wenn der andere besser war. Entscheidend ist allein, ob der Schauspieler zur Story passt. Ohnehin locken deutsche Stars die Zuschauer nicht ins Kino, Til Schweiger und Matthias Schweighöfer sind da die einzigen Ausnahmen. Natürlich gibt es auch bei uns Schauspieler mit einer Grandezza wie in Hollywood, aber wegen Iris Berben geht keiner ins Kino.

Früher hatten Sie Streaming-Dienste abgelehnt, mittlerweile produzieren Sie für Netflix. Liegt da die Zukunft?

Netflix passierte, ohne dass wir es darauf angelegt hatten. Bei „Zeit der Geheimnisse“ verband mich eine Freundschaft und Kollegialität mit der Autorin Katie Eyssen. Für die hat sich Netflix sehr stark interessiert, und weil sie ganz schnell eine kleine Weihnachtsserie brauchten, kamen wir ins Spiel. Weil die Erfahrung gut war, geht es nun eben weiter mit einem nächsten Projekt. Wobei wir das Kino nicht aus den Augen verlieren, ganz im Gegenteil.

Was sind die nächsten Kino-Projekte?

Als nächstes machen wir „Die stillen Trabanten“. Wie schon bei „In den Gängen“ stammt das Drehbuch von Clemens Meyer, und Thomas Stuber wird Regie führen. Trotz des vorigen Erfolges ist das neue Projekt wieder anstrengend in der Finanzierung. Wir können auf unsere Partner bei den ARD-Sendern bauen, dennoch ist und bleibt es ein schwieriges Unterfangen.

Sie sind Fußball-Fan – gibt es Ähnlichkeiten zwischen Kicken und Kino?

Teamarbeit und Intuition. In den einzelnen Szenen spontane Entscheidungen treffen, die sich nachher als richtig erweisen. Diese kleinen, genialischen Momente, wenn der Schauspieler etwas anderes macht als in den drei Proben zuvor. Oder wenn der Oberbeleuchter beim fünften Mal das Licht doch etwas anders setzt. Spontan auf Dinge zu reagieren, das ist die hohe Kunst des Filmemachens – und des Fußballs.

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Erstellt:
02.12.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 36sec
zuletzt aktualisiert: 02.12.2020, 06:00 Uhr

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