Tübingen

Gutachten: Regionalstadtbahn hätte „erhebliche Auswirkungen“ auf Universität

Könnte das das Aus für die Innenstadtstrecke der Regionalstadtbahn bedeuten? Ein Gutachten im Auftrag der Universität zeigt, dass beispielsweise die Verlagerung von hochempfindlichen Geräten notwendig wäre. Das Werner-Siemens-Imaging-Center im Röntgenweg müsste komplett ab- und neugebaut werden, was Kosten von ungefähr 30 Millionen Euro bedeuten würde.

25.03.2021

Von ST

Symbolbild: Zweckverband Regionalstadtbahn

Symbolbild: Zweckverband Regionalstadtbahn

Wie die Tübinger Universität in einer Pressemitteilung schreibt, hätten Bau und Betrieb einer Regionalstadtbahn durch die Tübinger Innenstadt erhebliche Auswirkungen auf Forschungseinrichtungen der Uni. Zu diesem Ergebnis kommt ein von der Universität beauftragtes Gutachten des Bochumer Ingenieurbüros Baudynamik Heiland und Mistler, das am Donnerstag auch bei einer Pressekonferenz vorgestellt wurde.

„Wir müssen bereits bei der Errichtung der geplanten Innenstadtstrecke, spätestens aber beim Betrieb der Regionalstadtbahn mit erheblichen Problemen rechnen“, sagte der Rektor der Universität, Prof. Bernd Engler, bei der Vorstellung des Gutachtens. Der Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Bernd Pichler, ergänzte, insbesondere Forschungseinrichtungen in den Lebenswissenschaften seien stark betroffen: „Die Probleme dürften mit der künftigen technischen Entwicklung weiter zunehmen, da analytische Systeme, wissenschaftliche Messgeräte sowie bildgebende Verfahren zunehmend leistungsfähiger, aber damit auch empfindlicher werden.“

Offensichtlich, so heißt es aus Uni-Kreisen, seien „die daraus resultierenden Probleme den politisch Verantwortlichen nicht hinreichend klar“. Unter anderem habe das Gutachten ergeben, dass ein Betrieb der Stadtbahn zu Erschütterungen und elektromagnetischen Feldveränderungen führen würde, wodurch voraussichtlich wiederum „empfindliche technische Geräte, Anlagen und Messinstrumente nicht mehr funktionieren und genutzt werden können“. Ohne technische Kompensationsmaßnahmen seien jeweils 180 Meter links und rechts der Trasse Beeinträchtigungen feststellbar.

Selbst mit umfangreichen Schutzmaßnahmen auf dem Streckenabschnitt zwischen dem Kupferbau-Hörsaal und dem Arboretum des Botanischen Gartens sei eine Beeinträchtigung „von einzelnen Forschungslaboren und den dort befindlichen Messinstrumenten durch elektromagnetische Strahlung und Erschütterungen zu erwarten“.

Das Werner-Siemens-Imaging-Center (Röntgenweg 11-17) müsste zudem im Fall einer Stadtbahn weichen, ein neues Gebäude müsste gebaut und das alte rückgebaut werden. Außerdem, so heißt es, verliere die Uni „in einem Korridor von jeweils 80 Meter links und rechts der Stadtbahntrasse in erheblichem Umfang Bau- und Entwicklungsflächen für künftige Forschungsgebäude mit hochempfindlicher Nutzung“.

Die Universität bekenne sich zu einer klimafreundlichen Verkehrspolitik, es müsse jedoch gewährleistet sein, „dass ein künftiges Verkehrssystem die weitere Entwicklung des Forschungsstandorts Tübingen befördert und nicht blockiert“, sagte der Rektor. Universität und Medizinische Fakultät fordern daher im Falle der Realisierung der Innenstadtstrecke die Erfüllung von sechs Bedingungen seitens der Stadt.

Dazu zählen Schutzmaßnahmen am Gleis, um Erschütterungen zu reduzieren. Selbiges gilt für die Reduktion des Einflusskorridors der elektromagnetischen Feldveränderungen. Auch müssten die Betreiber der Regionalstadtbahn die Kosten für passive Schutzmaßnahmen an Uni-Gebäuden übernehmen sowie ein neues Werner-Siemens-Imaging-Center finanzieren. Außerdem wird die garantierte Zusage für neue Entwicklungs- sowie ein Ausgleich für die Verlustflächen gefordert. Damit könnte auch die Debatte um die Sarchhalde wieder aufflammen.

Universität und Medizinische Fakultät seien nicht gegen den Bau einer Regionalstadtbahn, betonte der Rektor: „Die regionale Verkehrspolitik darf aber die Weiterentwicklung des Wissenschaftsstandortes nicht gefährden.“ In dieser Situation seien sowohl die Stadt Tübingen als auch die baden-württembergische Landesregierung in der Pflicht. Das Land verfüge in Tübingen über umfangreiche Flächen, die bereits vor Jahrzehnten für die langfristige Entwicklung der Universität angekauft worden seien. Diese Flächen müssten jetzt aktiviert werden.

OB Palmer nimmt Stellung

Oberbürgermeister Boris Palmer lässt sich in einer Mitteilung der Stadt wie folgt zitieren: „Das Gutachten zeigt, dass die Stadtbahnstrecke durch moderne Technik direkt zur Universität und zum Klinikum fahren kann. Die zusätzlichen Kosten für Erschütterungsschutz an der Strecke und Verringerung der elektromagnetischen Strahlung sind mit fünf Millionen Euro überschaubar und im erwarteten Rahmen. Die Mehrkosten sind bereits beim Zweckverband gemeldet und können voraussichtlich zu 95 Prozent aus Bundes- und Landesmitteln finanziert werden. Damit haben wir eine hervorragende Grundlage für die Entwicklung der Universität, die eine klimafreundliche Verkehrserschließung genauso dringend benötigt wie bauliche Erweiterungen.“ Fragen des TAGBLATTs zum Thema wollte Palmer nicht beantworten.

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Erstellt:
25.03.2021, 12:31 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 50sec
zuletzt aktualisiert: 25.03.2021, 12:31 Uhr

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