Tübingen · Spendenaktion
Rollstuhlbasketball: Gut für das Gefühl und das Gesäß
Kilian Mildner ist Trainer der Tübinger Rollstuhlbasketballer. Der Sport sei für seine Spielerinnen und Spieler enorm wichtig, sagt er – körperlich wie emotional.
Die müssen „individuell angepasst“ sein, sagt der Trainer des Zweitligisten, nur dann würden die Rollstuhlfahrer sicher sitzen und die bestmögliche Leistung erbringen – und so Spaß am Sport haben. Dass sie am Ball bleiben, sei „eklatant wichtig“, sagt Mildner. „Die Rollstuhlfahrer müssen sich viel bewegen, um ihre Bewegungsdefizite auszugleichen.“ Beim Basketball trainierten sie etwa auch die Gesäßmuskulatur, die sonst kaum benötigt wird.
Mildner empfängt das TAGBLATT direkt vor dem Training in der Sporthalle der BG Unfallklinik. Während des Gesprächs kommen nach und nach die Spielerinnen und Spieler an, die Männer geben dem Trainer die Hand, die Frauen umarmen ihn. Für alle hat Mildner einen Spruch auf Lager, es wird viel gelacht. „Wir haben eine sehr homogene Mannschaft, alle sind jung, zwischen 16 und 30, das gibt es in Deutschland kein zweites Mal“, sagt er. Die Mannschaft macht gemeinsame Ausflüge, es gibt enge Freundschaften. Die erfüllende Gemeinschaft sei ein weiterer Grund, warum der Sport für seine Spieler/innen so wichtig sei, so der Trainer.
Der Hagellocher Zimmerermeister Mildner ist seit 1992 – mit einer Unterbrechung – Trainer der Basketballer vom Rollstuhlsport- und Kulturverein RSKV. Damals spielte er in Rottenburg gewöhnliches Basketball, „Fußgängerbasketball“, wie die Rollstuhlsportler sagen. Den Trainerschein hatte er da schon. Ein Bekannter erzählte ihm, dass der Coach der RSKV-Basketballer aufhöre, ob er nicht Lust habe. Mildner kam zu einem Training, setzte sich in den Rollstuhl und merkte schnell: Viele Übungen kann man übernehmen.
Ein Klassifizierungssystem mit Werten von 1 bis 4,5 stellt sicher, dass nicht zu viele Nichtbehinderte mitspielen: Ihnen wird der höchste Wert zugewiesen, während etwa Spieler, die die Beine nicht bewegen und nur geringe oder gar keine Rumpfkontrolle ausüben können, einen Punkt bekommen. Die Gesamtpunktzahl der Mannschaft darf nicht über 14,5 liegen.
Der zweite entscheidende Unterschied ist die Taktik. „Beim Fußgängerbasketball geht es viel um Eins-gegen-eins-Situationen, beim Rollstuhlbasketball ist das Ziel immer, in Überzahl zu spielen“, sagt Milder. Soll heißen: Das Team als Ganzes ist noch wichtiger. Auch wenn er herausragende Einzelspieler habe – „ohne das Drumherum bringt das nichts“. In ihrer zweiten Saison in der zweiten Bundesliga stehen die Tübinger aktuell auf dem fünften Platz – es sind aber auch nur sechs Mannschaften in der Klasse. Für die Zukunft wünscht sich Trainer Mildner – neben neueren, besseren und reparierten Rollstühlen – mehr Zuschauer. „Wir sind froh, wenn mal 80 Leute zu einem Heimspiel kommen. Das ist schade, weil es eine tolle Sportart ist.“ Das nächste Heimspiel ist am 18. Januar in der Derendinger Feuerhägle-Halle.
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