Reutlingen · Nachhaltigkeit

Grüß Gott – jedenfalls noch nicht beim Kaffeetrinken

Keine Fremdbecher: Die Reutlinger haben offenbar das Recup-Konzept nicht verstanden.

23.08.2019

Von Lisa Maria Sporrer

Grüß Gott – jedenfalls noch nicht beim Kaffeetrinken

Welchen Fußabdruck hat mein T-Shirt? An welchen entlegenen Winkeln der Welt wird für mein Handy nach seltenen Erden gebuddelt? Und wie verwerflich ist es, dass mich fette SUVs faszinieren? Wen solche Fragen beschäftigen, der kann sich damit trösten, im Kleinen an den großen Umweltfragen mitwirken zu können. Etwa beim Kaffee-Kauf.

Bisher gibt es noch keine Berechnungen darüber, wie viele Einwegkaffeebecher seit Einführung der Recup-Becher vor zwei Jahren eingespart werden konnten. Die Mehrwegbecher des Müncher Start-ups sind jedenfalls mittlerweile in mehr als 3000 Cafés und Bäckereien in deutschen Städten zu haben. Tendenz steigend. Und damit das Pfand-System neben dem kleinen Beitrag zum Umweltschutz auch noch eine persönliche Komponente bekommt, können sich Anbieter die Skyline ihrer Stadt auf die Becher drucken lassen – samt sprachlicher Eigenheiten.

Der Reutlinger scheut den Ulmer

So grüßt der Recup-Becher in München mit „Servus“, der in Berlin mit „Tach“, und in Oldenburg wünscht man sich zum morgendlichen Kaffee ein „Moin“. Die Region Ulm ist da mit ihrem „Grüß Gott“ traditioneller – aber Ulm? Wo ist das nochmal? „Das ist nicht von hier. Das kenn ich nicht“, sagte kürzlich eine Bäckereiverkäuferin in Reutlingen, die sich weigerte, den Becher zurückzunehmen. Eigentlich ist das der Clou des Pfandsystems: Kunden bezahlen den Pfand von einem Euro pro Becher und können ihn bei jedem teilnehmenden Café oder Bäcker wieder abgeben. Nur scheinbar nicht in Reutlingen. Zwar hatten andere Verkäufer immerhin von dem schwäbischen Oberzentrum gehört, aber weder bei Alnatura noch beim Bäcker Beck darf der Becher aus Ulm ins Sortiment. „Wir können ja in Reutlingen unseren Kunden keine Becher aus anderen Städten ausgeben“, begründete das eine Verkäuferin von Alnatura. „Die denken ja nachher, sie sind gar nicht in Reutlingen.“

Vorbei am Ursprungsgedanken

Zwar schaffe man über die Individualisierung eine zusätzliche Identifikation, sagt Fabian Eckert, einer der beiden Recup-Geschäftsführer. „Aber zurücknehmen sollte jeder Anbieter die Becher.“ Schließlich sei das ja die Idee dahinter: Dass es flächendeckend ist. „Und es ist ja auch witzig zu sehen, wo ich welchen Becher bekomme“, sagt Eckert. Das sei ein bisschen wie beim Münzensammeln. Die könne man ja auch wieder ausgeben, wenn man keine Lust mehr auf Sammeln habe.

In Reutlingen gibt es übrigens noch keine Städte-Edition. Was würde dann wohl auf den Bechern strehen? „Ahoi“, wie in Rostock, wird man sich hier ebensowenig zurufen wie „Hey Kölle“ oder „Ei Gude“ wie in Frankfurt. Allerdings: Bevor sich die Reutlinger auf einen Kaffeewunsch festlegen, müssten sich noch ein paar Partner finden. Denn erst ab 30 teilnehmenden Partnern kann eine Städteedition gedruckt werden. Und da fehlen in Reutlingen noch elf. Bis es soweit ist, könnte ja jemand meinen Becher zurücknehmen, der dann als Unikat im Stadtgebiet das wünscht, womit sich ältere Reutlinger noch immer guten Tag sagen: Grüß Gott.