Grüner Sieg für Europa

Kommentar Zum Ausgang der Europawahl

Der CDU-Europaabgeordnete Christian Ehler äußerte sich im Februar höchst besorgt: „Ich weiß nicht, ob ich gewählt werde“, sagte er, „weil ich nicht weiß, ob die Menschen nur dem System in die Fresse hauen wollen, oder ob es ihnen doch um Themen geht“.

27.05.2019

Von Claus Liesegang

Frankfurt (Oder). Das Zittern dauerte bis Sonntagabend. Dann besteht für Deutschlands Europaanhänger Anlass für Optimismus. Die Wahlbeteiligung war nicht nur hierzulande mit fast 60 Prozent, sondern in vielen europäischen Ländern viel höher als 2014. Europa interessiert die Menschen doch mehr als befürchtet. Es wird klar: Die Deutschen schätzen Europa als Friedensgarant, als Freiheitshüter, als Wirtschafts- und Arbeitsplatzsicherer. Und das Ergebnis der eindeutigen Gewinner von den Grünen zeigt, die Menschen erwarten in Sachen Klima gemeinsame Wege und Lösungen. Sie wissen: National ist hier nichts auszurichten.

Tatsächlich sind allein die Grünen verantwortlich für den pro-europäischen Wahlausgang. Sie setzen ihren positiven Trend fort und profitieren von der „Fridays for Future“-Kampagne und wohl auch von Youtuber Rezo, der ihnen, wenn auch teils auf zweifelhafte Weise, Wähler zugetrieben haben wird.

Eine Katastrophe sind die Verluste der SPD. Zum vorhergesagten Desaster bei der Europawahl kommt die historische Niederlage in Bremen. Das kann nicht ohne personelle Konsequenzen bleiben. Andrea Nahles ist gescheitert – mit Folgen für die Bundesregierung.

Auch historisch schlecht, weil bei einer bundesweiten Wahl nie schwächer, schneidet die Union ab. Frontfrau AKK räumte sogleich ein, man habe keine überzeugenden Antworten auf die Fragen der Menschen zu Europa gehabt. Doch mit dem Wahlsieg in Bremen kaschierten die CDU-Oberen am Sonntagabend die europäische Blamage.

Und die AfD? Sie gewinnt bei der Europawahl hinzu, verliert aber zwei Prozent zur Bundestagswahl 2017. Die Populisten und Nationalisten haben es also nicht geschafft, Europa in die Fresse zu hauen, wie vom Christian Ehler befürchtet.