Parteien

Fall Palmer: „Grüne sind am Scheideweg“

Die Grünen setzen im Fall Palmer auf den Ausschluss-Hammer. Ein Politologe sieht sie damit endgültig in einer neuen Rolle.

10.05.2021

Von Ellen Hasenkamp

Der Politologe Nils Diederich von der Freien Universität Berlin. Foto: FU Berlin

Der Politologe Nils Diederich von der Freien Universität Berlin. Foto: FU Berlin

Berlin. Der Umgang der Grünen mit Boris Palmer zeigt nach Ansicht des Berliner Politikwissenschaftlers Nils Diederich, wie normal die Partei geworden ist.

Bislang schienen die Grünen auf rosa Wölkchen Richtung Kanzleramt zu schweben. Ist die Affäre Palmer jetzt das böse Erwachen?

Nils Diederich: Es ist eine Art Stresstest. Das ist auch normal für Parteien, die ihr Spektrum erweitern: Sie müssen sich auf breiterer Front auseinandersetzen.

Aber das Publikum fragt sich, ob diese Grünen tatsächlich regierungsfähig sind.

Da gibt es ja grundsätzlich noch eine gewisse Zurückhaltung – trotz des Beispiels Baden-Württemberg. Die Grünen gelten noch immer als klassischer Koalitionspartner, der Akzente setzt. Für die Partei ist der Fall eine Gratwanderung: auf der einen Seite Innovation und Diskussionsfreude zu verkörpern, auf der anderen Seite staatstragend zu sein. Die Grünen befinden sich an einem Scheideweg.

Verlieren die Grünen auf dem Weg zur Macht ihre Diskussionsfreude?

Nach meiner Ansicht handelt es sich um einen klassischen Fall von Sprachbereinigung. Es geht nicht mehr so sehr darum, die Fakten zu ändern, also den Rassismus zu bekämpfen, sondern man will das Problem durch Bereinigung der Sprache lösen.

Ihm droht der Parteiausschluss: Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Foto: AFP/Yann Schreiber

Ihm droht der Parteiausschluss: Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Foto: AFP/Yann Schreiber

Aber Antirassismus auf allen Ebenen ist für die Grünen konstitutiv.

Natürlich ist es für die Grünen sehr schwer auszuhalten, jemanden nach solchen Äußerungen in der Partei zu behalten. Gerade jetzt wollen sie alles vermeiden, was schädlich sein könnte. Besser wäre es aber zu sagen: Mein lieber Palmer, so geht das nicht, das musst Du zurücknehmen. Inhaltlicher Streit statt administrativer Hammer. Die Erfahrung ist, dass solche Diskussionen einer Partei gar nicht schaden müssen, sie nützen sogar manchmal.

Wird sich die Palmer-Affäre auf das Wahlergebnis auswirken?

Das glaube ich nicht, die Sache wird dann vergessen sein. Es sei denn, die ganze Geschichte zieht sich bis kurz vor den Wahltag.

Wie hat sich Kanzlerkandidatin Baerbock in der Sache geschlagen?

Sie hat sich sozusagen das Kanzlerinnenkostüm angezogen und nach der Devise gehandelt: Wenn jemand abweicht von meiner Linie, dann schadet der mir. Sie hat in ihrer neuen Rolle klar auf Ansage gesetzt. Und die lautet: Ich bin die, die vorne steht – und die anderen sollen mir folgen. Es ist geradezu symbolisch: Die Grünen werden eine stinknormale Partei.

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Erstellt:
10.05.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 08sec
zuletzt aktualisiert: 10.05.2021, 06:00 Uhr

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