Tübingen

Boris Palmer: Kreisverband lehnt Partei-Ausschluss ab

Heftiger Gegenwind weht Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer von Parteifreunden aus Berlin entgegen: Die beiden Grünen-Chefs Robert Habeck und Annalena Baerbock haben Palmer für seine Äußerungen zu Werbegesichtern der Bahn scharf kritisiert.

25.04.2019

Von Gernot Stegert

Boris Palmer. Bild: Metz

Boris Palmer. Bild: Metz

„Er hat Menschen nach äußeren Merkmalen beurteilt und die Frage, wer zu unserer Gesellschaft gehört, daraus abgeleitet. Beides ist nicht richtig“, teilten die Parteivorsitzenden der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) mit. „Boris Palmer hat eine Tür zu einem rassistischen Weltbild aufgestoßen – er sollte sie schnell wieder schließen.“ Sie hätten das auch „mit dem Kommunalpolitiker“ persönlich besprochen. Sie hofften sehr, „dass er ernsthaft darüber nachdenkt, was solche Äußerungen für den Zusammenhalt in der Gesellschaft bedeuten“.

In einem offenen Brief an den Kreisverband der Grünen in Tübingen fordern Berliner Grüne Palmers Ausschluss aus der Partei. „Ein wichtiger, nicht selbstverständlicher Konsens, der uns ausmacht, ist die offene, vielfältige und gewaltfreie Gesellschaft, für die wir kämpfen“, Palmer verstoße dagegen, heißt es in dem Schreiben, das von den Sprechern der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht, Svenja Borgschulte und Jian Omar, und von Jonas Krone aus dem Kreisverband Steglitz-Zehlendorf verfasst wurde. Palmer sei mittlerweile ein „rechtspopulistischer Pöbler“. Auf Facebook habe er viele „zumindest immer in ihrer Tendenz rassistische, hetzerische Postings“ veröffentlicht.

Der Kritisierte wies gegenüber dem TAGBLATT die Vorwürfe zurück. Er habe sich „moderat im Ton und nüchtern in der Sache“ geäußert. Es müsse über „linke Identitätspolitik“ kritisch diskutiert werden dürfen. Die Aufforderung zum Ausschluss sei die antidemokratische Verweigerung einer inhaltlichen Debatte. Das sei nicht akzeptabel, so Palmer: „Ich werde die öffentliche Debatte gegen solches Jakobinertum bis zu meinem letzten Atemzug verteidigen.“ Gegenüber dpa sprach Palmer von „Meinungstyrannen“ und sagte: „Ich hab die Schnauze voll von sowas.“

Zu Habeck und Baerbock sagte er dem TAGBLATT: „Die Parteivorsitzenden unterliegen einem analytischen Fehlschluss. Ich habe die Tür zu einem rassistischen Weltbild nicht aufgestoßen, das hat die linke Identitätspolitik getan.“ Es sei mittlerweile Usus, Menschen schwarzer Hautfarbe in der Werbung einzusetzen, um einer Firma das Image von Weltoffenheit und Toleranz zu geben. „Dabei wird ausschließlich auf diese äußeren Merkmale gesetzt. Ich kritisiere genau das an der Werbung der Deutschen Bahn.“ Die Kritik von Habeck und Baerbock zeige, „dass sie überhaupt nicht verstehen, worum es mir geht und was das Problem ist. Die Ironie der Geschichte ist, dass ich genau vor der Reduktion der Menschen auf ihre Scheinidentität qua Zugehörigkeit zu Opfergruppen warne, weil sie Gesellschaften spaltet.“

Der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen teilte mit, er werde „auch weiterhin kein Parteiausschlussverfahren gegen Boris Palmer anstreben. Ein solches Verfahren löst das Problem nicht. Wir Grüne sind eine politische Partei, die Differenzen in der demokratischen Debatte ausficht und aufzulösen versucht.“ Palmer solle auch nicht „in eine Opferrolle“ kommen. „Wir distanzieren uns allerdings vehement inhaltlich von den im Zusammenhang mit der Bahn-Werbung getroffenen Äußerungen von Boris Palmer. Wir lehnen solche Debattenanstöße, in denen es um Ausgrenzung und um die Frage geht, wer zu unserer Gesellschaft dazu gehört und wer nicht, ab.“

Aus dem Offenen Brief der Berliner Grünen

„Boris Palmer hat sich mittlerweile als rechtspopulistischer Pöbler etabliert. Die Reihe seiner meist offener, aber zumindest immer in ihrer Tendenz rassistischer, hetzerischer Postings ist lang. Mit seinem aktuellsten Facebook-Beitrag vom 23. April ist uns klar geworden, was Boris Palmer noch mit unseren Werten einer vielfältigen Gesellschaft verbindet: Gar nichts. Dieser offen zur Schau gestellte Rassismus, diese Verachtung für ein Bild der Vielfalt in Deutschland ist nicht nur mit unserem grünen Selbstverständnis unvereinbar. (...) Die regelmäßigen Distanzierungen des Kreisverbands Tübingen und des Landesverbands Baden-Württemberg verfehlen ihre Wirkung. (...) Liebe Freund*innen, es ist an euch, die Werte, für die wir immer gekämpft haben, zu verteidigen. (...) Wir bitten euch, den Ausschluss von Boris Palmer aus der Partei anzustreben!“