Landtagswahl

Grüne erhöhen Einsatz im Koalitions-Poker

Welches Bündnis ist bequemer, welches stabiler? Die Öko-Partei wägt vor den Sondierungen ihre Optionen. Eine feste Präferenz gibt es nicht.

16.03.2021

Von JENS SCHMITZ

Faust auf Faust: Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz und die Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand feiern am Wahlabend den Sieg. Entsprechend selbstbewusst geht die Partei in die Sondierungen. Foto: Marijan Murat/dpa

Faust auf Faust: Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz und die Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand feiern am Wahlabend den Sieg. Entsprechend selbstbewusst geht die Partei in die Sondierungen. Foto: Marijan Murat/dpa

Stuttgart. Es waren die spannendsten Wahlnacht-Momente im Landtag, als Hochrechnungen eine hauchdünne grün-rote Mehrheit für möglich hielten. Am Ende jedoch wird Sieger Winfried Kretschmann (Grüne) froh gewesen sein, dass aus dieser Option nichts wurde. Das Land brauche eine „verlässliche und stabile Regierung“, hatte er kurz zuvor selbst verkündet. Die Suche danach ist so schon schwierig genug.

Am Montag nach der Wahl herrschte bei den Grünen rege Betriebsamkeit: Schon ab Mittwoch will Kretschmann mit den potenziellen Partnern CDU, SPD und FDP erste Gespräche führen, unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie. Am Donnerstag tagt die Ministerpräsidentenkonferenz in Sachen Corona, dann kann es weitergehen.

Eindeutige Präferenzen für Grün-Schwarz oder Grün-Rot-Gelb sind bei den Wahlsiegern nicht erkennbar. Im Hinblick auf den Bund könnte es reizvoll sein, eine Mehrheit jenseits der Union zu beweisen. Gelänge aber Grün-Schwarz eine bessere Zusammenarbeit als zuletzt, würde die Regierung progressive und konservative Strömungen weiterhin bündeln – auch nicht schlecht für einen Ministerpräsidenten, der gesellschaftlichen Zusammenhalt propagiert. Kretschmann werden leichte Sympathien für den Status Quo nachgesagt; in seiner Partei gibt es nicht wenige, die der Union überdrüssig sind. Klar positioniert hat sich bislang nur die Sprecherin der Grünen Jugend, Sarah Heim: Die „Plan- und Visionslosigkeit der CDU“ disqualifiziere sie als Koalitionspartner.

„Wir wollen ganz bewusst die Gemeinsamkeiten und Knackpunkte mit jedem möglichen Partner einzeln durchgehen“, erklärt Sandra Detzer, Landeschefin der Grünen. „Wir hatten uns ja schon im Wahlkampf den Dreiklang Klimaschutz, Innovation und Zusammenhalt auf die Fahnen geschrieben. Der Klimaschutz ist die absolute Top-Priorität.“ Ein weiterer „sehr, sehr wichtiger Punkt“ sei die Reform des Landtagswahlrechts. Eine entsprechende Novelle war im Koalitionsvertrag vereinbart gewesen, von der CDU-Fraktion aber boykottiert worden.

Die SPD steckt wie die Union im historischen Tief; bei beiden wissen die Grünen, mit wem sie?s zu tun haben. In Kretschmanns erstem, grün-roten Kabinett war SPD-Chef Andreas Stoch Kultusminister. Die zweite, grün-schwarze Regierungszeit hat CDU-Landeschef Thomas Strobl als Innenminister und Vize-Ministerpräsident mitgeprägt. Er soll für die CDU nun erneut die Gespräche führen, doch sein Rückhalt in der Partei ist unklar. Bei Fraktionschef Wolfgang Reinhart ist die Lage ähnlich. Sind das Grundlagen für eine stabile Regierung? Wer garantiert, dass Vereinbarungen mit der Union auch tragen?

Grüne wollen Garantien

„Wir werden ganz genau hinhören, wie verlässlich die Zusagen sind, die da gemacht werden, denn die schlechte Erfahrung mit dem Landtagswahlrecht in der letzten Legislatur sitzt uns schon in den Knochen“, sagt Detzer. „Dass die CDU sich in dieser Form verweigert hat, war ein schwerer Schlag für die Glaubwürdigkeit der Verhandler.“

Die größere inhaltliche Nähe besteht fraglos zur SPD. Die Grünen können mit ihr aber nur regieren, wenn sie die FDP mit ins Boot nehmen. Und auch da gibt es Vorbehalte. Für Kretschmann würde die Abstimmung mit zwei Koalitionspartnern nicht einfacher. Tatsächlich könnten sich Kompromisse mit den Liberalen sogar schwieriger gestalten als mit der CDU. Das beginnt schon mit dem Corona-Management, bei dem die FDP seit Monaten lautstark mehr Öffnungen fordert. Kultusministerin und CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann ist dem Regierungschef beim öffentlich ausgetragenen Zwist um Kitas und Schulen ziemlich auf die Nerven gegangen. Ob er sich mit dem zur Polemik neigenden FDP-Frontmann Hans-Ulrich Rülke den nächsten Konfliktherd ins Krisenteam holt, wird er sich gut überlegen. Detzer stellt immerhin fest, dass die Liberalen sehr ernsthaft an Gesprächen interessiert seien. „Ich könnte mir vorstellen, dass das sogar eine Art Neustart auch der grün-gelben Beziehungen im Land wird, wenn wir jetzt ernsthaft miteinander sprechen.“

Auch über Corona hinaus zeichnen sich aber Probleme ab. Detzers Co-Landeschef Oliver Hildenbrand hat die CDU in Klimaschutz-Fragen zwar als „Klotz am Bein“ bezeichnet – doch mit der FDP könnte sich dieses Thema womöglich noch zäher gestalten. Im Bildungsbereich stehen sich Liberale und SPD außerdem diametral gegenüber. Ein Dreierbündnis könnte somit zwar Aufbruchssymbolik verströmen. Stabiler und verlässlicher als eine Verlängerung von Grün-Schwarz wäre es allerdings nicht automatisch.

Grüne erhöhen Einsatz im Koalitions-Poker