Judo-Gold: Majlinda Kelmendi holt die erste Medaille für das kleine Land auf dem Balkan

Großes Kämpferherz für den Kosovo

Allererste Medaille für den Kosovo: Gold! Geschichten wie die von Judo-Siegerin Majlinda Kelmendi gehören zu den rührendsten bei Olympia.

09.08.2016

Von WOLFGANG SCHEERER

Kämpfte bei der Siegerehrung mit den Tränen: Majlinda Kelmendi, die erste Goldmedaillengewinnerin aus dem Kosovo. Foto: dpa

Kämpfte bei der Siegerehrung mit den Tränen: Majlinda Kelmendi, die erste Goldmedaillengewinnerin aus dem Kosovo. Foto: dpa

Rio de Janeiro. Die Stadt am Zuckerhut ist ein Sehnsuchtsziel vieler Menschen. Für Majlinda Kelmendi ist es die schönste Metropole überhaupt. Das hat weniger mit dem Zuckerhut oder der Copacabana zu tun. Rio ist die Stadt ihrer großen sportlichen Erfolge: Hier wurde sie 2013 zum ersten Mal Judo-Weltmeisterin, und hier machte die 25-Jährige am Sonntagabend die Geschichte ihres kleinen Heimatlandes auf dem Balkan, die so viele dunkle Schattierungen hat, um eine glänzende Facette reicher.

Ihre Goldmedaille im Limit bis 52 Kilogramm ist die erste olympische Plakette, mit der sich die Republik mit ihren nur 1,8 Millionen Einwohnern schmücken kann. Sie genoss den Moment ausgiebig und vor allem lautstark, wie man selbst in Rio hörte. Zumindest über das Smartphone eines Betreuers.

Und in der Hauptstadt Pristina, so wurde quasi in Echtzeit nach Brasilien berichtet, nutzte Premierminister Isa Mustafa die Gelegenheit für folgende politische Klammer: „Majlinda ist golden, der Kosovo ist golden! Lasst uns diesen Meilenstein feiern!“

Dass das vor allem die benachbarten Serben anders sehen dürften und mit ihnen 84 der 193 UN-Mitgliedsstaaten, die den Kosovo ebenfalls nicht als unabhängig anerkennen, tat der Feierstimmung keinen Abbruch. Im Gegenteil. Der Kosovo ist wieder wer – auch dank Majlinda Kelmendi. Diese Botschaft ist ihr auch selbst absolut bewusst. Und wie auf der Matte vertritt sie ihre Ambitionen klar. „Natürlich bedeutet meine Goldmedaille sehr viel für mein Land“, sagte sie, nachdem die Freudentränen weggewischt waren. „Ich sage der jungen Generation im Kosovo heute: Ihr könnt alles werden. Sogar US-Präsident.“ Das wohl weniger, aber es klang stark. Sportlich betrachtet: Im Finale besiegte Majlinda Kelmendi übrigens die Italienerin Odette Guiffrida, die im Achtelfinale die Deutsche Mareen Kräh bezwungen hatte, mit einer so genannten kleinen Yuko-Wertung.

In Rio kann der Kosovo erstmals mit einer eigenen Olympia-Mannschaft antreten, nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOC) den Start 2012 in London noch verweigert, die Republik nunmehr aber offiziell aufgenommen hat. Als besonders erfolgreiche Athletin durfte Majlinda Kelmendi vergangenen Freitag bei der Eröffnungsfeier die Fahne tragen. Ihr Triumph im Halbweltergewicht war auch nicht die größte Überraschung dieser Sommerspiele. Im Gegenteil: Nach WM-Titeln 2013 und 2014 bei den Aktiven galt die ehemalige Junioren-Weltmeisterin als Favoritin. Doch die eigene Erwartungshaltung und die einer ganzen Nation waren gewaltig. Wie souverän Majlinda Kelmendi unter diesen speziellen Voraussetzungen in der Carioca-Arena ihre Mission erfüllt hat, zeigt ihre ganze Klasse.