Kommentar · Anglizismen

Gönnen Sie sich mal einen Rant

Lorenzo Zimmer dreht den Swag auf.

02.06.2020

Von Lorenzo Zimmer

Anglizismen galten lange als verpönt. Out. Uncool. Doch zu Unrecht. Sicher, sie können liebgewonnene Wörter der deutschen Sprache verdrängen und obsolet machen, bis sie irgendwann antiquiert wirken. So wie das Wörtchen „obsolet“. Oder das wunderschöne „antiquiert“ – old-fashioned, würde man neudeutsch vielleicht sagen.

Trotzdem finde ich Anglizismen nice. Es ist ja längst nicht mehr so, als würden nicht auch die härtesten Verfechter der monolingual-deutschen Sprache immer wieder in Verlegenheit kommen, Wörter wie „cool“ zu benutzen. Keiner kauft ein kurzärmeliges Unterhemd zum Zweck, es als sommerliche Oberbekleidung zu tragen, sondern jeder ein T-Shirt. Alte Hüte. Doch durch das Internet, die Meme-Kultur und kultgewordene Streamer (Ja Moin!) gibt es mittlerweile Tausende neumodische Ausdrücke und Neologismen, die von einer jüngeren Zielgruppe täglich verwendet werden.

Darunter viele englische. Sie sorgen dann für diese Momente, in denen Eltern denken: „Was redet ihr da?“ Was die Kids reden, ist nicht mehr wie noch Anfang der 2000er eine reine Ansammlung von Anglizismen: Als Blue Jeans hip und funky waren, Britneys Outfit crazy und Bibis neuer Youtube-Channel der hot shit. Irgendwann drehte die Jugendsprache unweigerlich den Swag auf. Im Internet entstand eine Lingo, die sich auf Schulhöfen und in Jugendzimmern immer weiter verbreitete. Ein Jugendlicher würde vielleicht sagen: Sich auf entspannter Ehrenbruderbasis und ganz ohne ein 31er zu sein, ihren Hype gönnte. Apache bleibt gleich. Für Erklärungen: Fragen sie jemanden unter 20!

Jedenfalls ist mir ein bestimmtes Wörtchen dabei immer wieder besonders positiv aufgefallen. Der „Rant“. Sprich rænt. So wie die Ranch in Texas, nur mit t. Er beschreibt eine kritische Auslassung über ein Thema, einen Monolog, in dem sich der Rantende mal so richtig über etwas auskotzen kann. In Zeiten, zu denen eine Sekunde auf Facebook genügt, um haufenweise Schwachsinn zu lesen, kann ein gut gemachter Rant richtig erfrischend sein. Über Leute, die in der U-Bahn Döner essen, im Kino mit dem Popcorn rascheln (der älteste Rant der Welt) oder öffentliche Toiletten nicht anständig hinterlassen.

Der Rant kennt keine Hautfarbe, keine Religion und keine Diskriminierung. Aber eben auch keine Political Correctness. Er basiert auf dem Hassgefühl eines Moments und kann dadurch erstaunlich nachvollziehbar sein. Der Rant gefällt mir aber auch deshalb , weil er mich auf seine wunderbare deutsche Übersetzung stieß: die gute alte Schimpftirade. Noch so ein Wort, das irgendwie in Vergessenheit geraten ist. Ist das etwa ein triftiger Grund für eine Tirade über den Rant als Anglizismus?

Nein, denn wenn das nicht alles so wäre, wenn ich neudeutsche Begriffe nicht liebgewonnen hätte, wäre das Wörtchen Tirade vielleicht nie in mein Bewusstsein zurückgekehrt. Dafür hätte man guten Mutes darüber ranten können, wie furchtbar Anglizismen sind. Wie verabscheuungswürdig und zerstörerisch. Feind der deutschen Sprache. Schade um den Rant, aber man muss es positiv sehen: Wenn man aufhört, Anglizismen abzulehnen, kann man sie als Bereicherung seines Sprachschatzes gezielt einsetzen. Und bei einem kernigen Rant ab und zu so richtig den Swag aufdrehen.