Freizeitspaß

Glücksspiel und Juwelenraub

Wenn die Tür verschlossen ist, bleibt nur eine Stunde Zeit: Nathalie Tress und Mirjam Stemmler betreiben Tübingens ersten Escape-Room.

12.12.2017

Von Lorenzo Zimmer

Hinter der Kellertür in der Tübinger Kelternstraße warten viele Rätsel auf die Besucher. Und die eine oder andere Überraschung.Bild: Metz

Hinter der Kellertür in der Tübinger Kelternstraße warten viele Rätsel auf die Besucher. Und die eine oder andere Überraschung.Bild: Metz

Die schwere Tür mit den Beschlägen aus Metall fällt ins Schloss. Von draußen wird der alte, handkantenlange Schlüssel umgedreht, der Ausgang so verriegelt. Auf einem Bildschirm an der Wand beginnt ein Countdown. 59:59 steht dort rot leuchtend. Es bleiben 59 Minuten und 59 Sekunden, um aus dem 20 Quadratmeter großen Keller unter der Tübinger Kelternstraße zu entkommen.

In ihm befindet sich eine schlecht beleuchtete Bar. In einem Holzregal lagern Weine, hinter der Theke Hochprozentiges noch und nöcher. Ein Klavier, Barmöbel, Getränkekisten, eine Kaffeemaschine. Auf dem Weg zum Schlüssel, der die schwere Tür von innen öffnet und den Weg nach draußen freigibt, müssen Rätsel gelöst werden – durch gemeinsames Knobeln im Team.

Der Trend kommt aus Japan

Escape-Room heißt die beliebte Ein-Raum-Schnitzeljagd, die aus Japan stammt und in den letzten Jahren über Osteuropa und die Niederlande auch ihren Weg nach Deutschland gefunden hat. Und sich zu einem regelrechten Trend entwickelt hat. Nathalie Tress und Mirjam Stemmler haben vor einigen Wochen den ersten Escape-Room Tübingens eröffnet.

„Wir hatten beide schon Erfahrungen als Spieler solcher Räume“, sagt Tress. Sie ist studierte Juristin und arbeitet bei einem großen Unternehmen im Personalbereich, Stemmler ist gelernte Bürokauffrau und studiert in Tübingen Betriebswirtschaftslehre. Die beiden lernten sich als Fans der Walter Tigers kennen, über eine gemeinsame Freundin entstand regelmäßiger Kontakt: „Mirjam erzählte mir auf einer Weinprobe, dass sie sowas mit einer Freundin eröffnen will“, erinnert sich Tress. Im Spaß bekundet auch sie Interesse – zunächst versandet die Idee. Doch als Stemmlers Freundin abspringt, tun sich die beiden schließlich zusammen.

„Wir sind zügig auf die Suche nach einer Immobilie gegangen“, so Tress. Das war im März 2017. Als sie gefunden war, warteten die beiden Unternehmerinnen mehrere Monate auf eine Nutzungserlaubnis. Genügend Zeit, um sich Konzepte für die Räume zu überlegen. „Einbau und Feintuning haben weitere drei Monate in Anspruch genommen“, so Stemmler.

Mitte November eröffneten die beiden als „Crimehouse Company“ ihre beiden Escape-Räume. „Barcode“ heißt die Keller-Bar, drüber gibt es noch den „Blut-Traum“. Hier geht es für die Spieler darum, mysteriöse Schreie aufzuklären, die die fiktive Oma Leni nachts in ihrer Wohnung hört. „Wenn nicht in einer Stunde geklärt werden kann, was Leni nachts hört, wird sie in die Psychiatrie gebracht“, erläutert Stemmler das Szenario.

Im Obergeschoss des Gebäudes in der Kelternstraße entsteht derzeit ein dritter Raum. Worum es bei ihm gehen wird, wollen die beiden Betreiberinnen noch nicht verraten: „Wir haben schon bei den ersten beiden Räumen die Konzepte einige Male verworfen, deswegen wollen wir lieber noch nichts darüber sagen“, so Tress.

Bis dahin müssen sich Escape-Room-Begeisterte mit einem der beiden anderen Räume begnügen. Die Vorgehensweise ist dabei immer ähnlich: Hat das Spiel nach einer kurzen Einführung der Betreiber begonnen, muss sich das Team zunächst der Recherche widmen. In Schubladen, Schränken und in mancherlei Verstecken finden sich erste Hinweise auf die Geschichte hinter dem Escape-Room. Im Fall des Barcode-Raums geht sie auf das TAGBLATT zurück: „Wir wollten für den Raum eine Geschichte mit Lokalkolorit“, so Stemmler.

Das TAGBLATT berichtete vor einigen Monaten über illegales Glücksspiel im Hinterzimmer eines Tübinger Gastronomie-Betriebs – die Geschichte verarbeiteten Stemmler und Tress im Barcode-Raum. Für die Spieler gilt es, binnen 60 Minuten Beweise für die verbotene Poker-Runde zu finden und ganz nebenbei nach Möglichkeit noch einen Juwelenraub aufzuklären, in den der Bar-Besitzer verstrickt sein könnte. In 60 Minuten wird er zurück sein und man selbst bis dahin am besten draußen – so ist das Zeitlimit in die Geschichte eingearbeitet.

Über im Raum installierte Kameras können Tress und Stemmler dem Geschehen in den Räumen folgen. Kommt das Team alleine nicht weiter, bekommt es einen Tipp. Wann und wann nicht, ist manchmal gar nicht so einfach zu entscheiden, verrät Tress: „Man muss sich immer ein bisschen in die Gruppe reinfühlen.“ Trotzdem gebe es Erfahrungswerte, bis wann man an welchem Punkt in der Geschichte sein sollte: „Am Ende soll das Erfolgserlebnis im Vordergrund stehen“, sagt Tress. Etwa 20 Prozent der Besucher blieben bei der Crimehouse Company ohne Erfolg.

80 Buchungen seit der Eröffnung

Seit ihrer Eröffnung im November haben bereits 80 Gruppen einen Spieltermin bei Stemmler und Tress gebucht. Studierende, Abteilungen verschiedener Firmen, die ihre Teams stärken wollen, aber auch Familien: „Es ist uns schon ein Anliegen, das Prinzip auch erwachsenen oder älteren Leuten näherzubringen“, sagt Stemmler. Schließlich fehle es an Aktivitäten, die wirklich als Spaß für die ganze Familie taugen: „Das Schöne daran ist, dass sich jeder eben mit seinen Stärken einbringen kann“, sagt Tress. Schließlich seien jene Gruppen besonders erfolgreich, „die gut im Team kommunzieren und sich auch bewusst sind, dass die Talente jedes Einzelnen auf dem Weg zur Lösung wertvoll sein können.“

Vom Handyspiel in die Tübinger Kelternstraße

Das Prinzip der sich immer weiter verbreitenden Escape-Rooms kommt ursprünglich aus dem Digitalen: Bereits seit einigen Jahren sind in Japan solche Handy-Spiele beliebt, die dem „Escape the Room“-Genre angehören. Durch Antippen kann der Spieler in einer virtuellen Umgebung Dinge finden und muss sie und entdeckte Hinweise verwenden, um sein Männchen aus einem Raum zu führen. Ebenfalls in Japan entstanden um das Jahr 2007 dann erste begehbare Escape-Rooms fernab virtueller Räume: der Live-Escape-Room war geboren.

Nathalie Tress aus Münsingen und Mirjam Stemmler aus Rottenburg brachten einen Live-Escape-Room nach Tübingen. Zu dritt kostet die Stunde Knobelspaß 30 Euro pro Person, zu viert 26 und zu sechst 22 Euro. Weitere Infos gibt‘s online unter: www.crimehouse.de

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Erstellt:
12.12.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 52sec
zuletzt aktualisiert: 12.12.2017, 01:00 Uhr

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