Ehrung

Gerne geredet, aber auch gern zugehört

Die Tübinger Sozialpädagogin Anne Frommann wurde mit der Uhland-Plakette im Rathaus geehrt.

09.07.2018

Von Werner Bauknecht

Erhielt die Uhland-Plakette: Anne Frommann. Bild: Metz

Erhielt die Uhland-Plakette: Anne Frommann. Bild: Metz

Man wolle vor allem den Menschen Anne Frommann ehren, sagte Oberbürgermeister Boris Palmer in seiner Laudatio. Sie könne sich in Menschen hineinversetzen und habe so einen Blick, der den Anderen vermittle, verstanden zu werden. „Aber man hat auch das Gefühl dass sie einen durchschaut“, so Palmer.

Die inzwischen über 90-jährige, 1927 in Zittau (Oberlausitz) geborene Frommann, gilt als Neugründerin der Sozialpädagogik, „eigentlich hat sie sie erfunden“, sagte der OB. Tatsächlich kam sie 1971 nach Tübingen an die Universität und baute am Institut für Erziehungswissenschaften den bundesweit ersten Diplom-Studiengang für Sozialpädagogik auf. Das wirkte seinerzeit überregional und hatte in der Folgezeit auch reformerischen Einfluss auf die Sozialverwaltungen.

Sie war lange Jahre mit Martin Bonhoeffer befreundet, ebenso mit dem Ehepaar Karola und Ernst Bloch. Und sie blieb eine allzeit engagierte Bürgerin. So nahm sie an den Anti-Pershing-Demonstrationen in Mutlangen Mitte der 80er Jahre für „Senioren und Seniorinnen für den Frieden“ teil. „Da kann man sich vorstellen, dass sie mal gemeinsam mit Walter Jens von den Ordnungskräften abgetragen wurde“, sagte Palmer lachend. Ehrenamtlich ist sie heute unter anderem engagiert für Wohnen im Alter, ist aktiv für den „Wohnpark im Schönbuch.“ Palmer überreichte die Medaille an die Geehrte. In der Urkunde dazu wird sie eine „Pionierin der Sozialpädagogik“ genannt.

Uwe Liebe-Harkort, 1. Vorsitzender des Stadtseniorenrats, erinnerte daran, dass seine Ehefrau Gertrud Scheuberth der Jubilarin ein besonderes Geburtstagsgeschenk machte: „Sie kommt ein Mal in der Woche und sammelt im Gespräch die erlebten Geschichten von Anne Frommann.“ Eine davon, eine Kindererinnerung aus der Oberlausitz, las Scheuberth danach vor. Auch ein ehemaliger Student und heutiger Professor, Hans Gängler, erzählte von seinen Erlebnissen mit der Dozentin. So veranstaltete sie Blockseminare manchmal in ihrer Ferienwohnung. Er erinnerte an die Freitag-Seminare bei ihr zu Hause in der Hallstattstraße, die meist bis gegen 22 Uhr dauerten. „Dazwischen gab es aber immer etwas zu essen – dann wurde direkt weitergearbeitet.“

Dass Frommann zu ihrer Ehrung kam, war nicht selbstverständlich, wie Palmer verriet. „Wir mussten ihr schon bei ein paar Sachen entgegen kommen.“ Sie habe ihr Leben immer geliebt, habe gerne geredet, aber auch gerne zugehört, sagte Frommann schließlich zu den etwa
80 Gästen im Rathaussaal. Alles gehe besser, wenn man zu mehreren sei, das habe sie gelernt. Und sie freue sich, dass sie in „der schönen Stadt Tübingen leben darf.“ Nach der Feier gab es noch Häppchen, Getränke und Gespräche.