Nach Großeinsatz in Bodelshausen

Nur Bedrohung: Täter mangels Haftgrunds auf freiem Fuß

Einen Tag nach der Spezialeinheiten-Aktion in Bodelshausen ist der mutmaßliche Täter wieder auf freiem Fuß. Die Staatsanwaltschaft sieht keinen Haftgrund.

27.03.2019

Von Eike Freese

Da zunächst unklar war, ob der Mann in einem Bodelshauser Zweifamilienhaus gefährlich ist und wie weit er gehen würde, rückten am Dienstag Dutzende Beamte des „Polizeipräsidiums Einsatz“ an. Bild: Klaus Franke

Da zunächst unklar war, ob der Mann in einem Bodelshauser Zweifamilienhaus gefährlich ist und wie weit er gehen würde, rückten am Dienstag Dutzende Beamte des „Polizeipräsidiums Einsatz“ an. Bild: Klaus Franke

Der 33-Jährige, der am Dienstag im Zuge eines Einsatzes zahlreicher Spezialkräfte in Bodelshausen verhaftet worden war, ist wieder auf freiem Fuß. Die Staatsanwaltschaft sieht keinen Haftgrund und entließ den Mann nach eingehenden Befragungen. Ermittelt wird wegen einer Beziehungstat allerdings weiter gegen ihn. „Die Tat am Dienstag wirkte nach Außen zunächst sehr dramatisch“, sagt Staatsanwältin Tatjana Grgic dem TAGBLATT: „Letztendlich bewerten wir sie als Bedrohung, was ein geringeres Delikt darstellt.“ Da die Staatsanwaltschaft zudem nicht davon ausgeht, dass sich der Mann per Flucht einer weiteren Strafverfolgung entziehen wird, wurde er entlassen.

Der Fall hatte am Dienstagvormittag zahlreiche Polizisten und Rettungskräfte aus der Region beschäftigt. In der Ortsmitte von Bodelshausen war ein Lagezentrum eingerichtet worden, Sanitäter und Streifen hielten sich bereit, Spezialeinheiten des „Polizeipräsidiums Einsatz“ waren angerückt. Am frühen Morgen hatte sich eine Frau gemeldet und berichtet, der aggressive Mann in dem Mehrfamilienhaus in Bodelshausen sei eine akute Bedrohung für seine Lebensgefährtin und das gemeinsame kleine Kind. Spezialisten überwältigten den Mann nach rund drei Stunden in einer Überraschungsaktion. Verletzt wurde niemand. Von kurz nach 7 Uhr bis weit in den Vormittag hinein waren Straßen gesperrt, Beamte im ganzen Dorf erregten Aufmerksamkeit von Nachbarn und Schaulustigen.

„Für uns stellt sich der Einsatz als völlig überzogen dar“, sagt die Mutter des Mannes dem TAGBLATT nach der Tat. Zu keinem Zeitpunkt habe in dem Wohngebiet für irgendjemanden Gefahr bestanden, beteuert die 58-Jährige, die am Morgen mit weiteren ebenfalls in der Wohnung war. Es gab keine Waffen, ihr Sohn sei friedlich gewesen und habe sogleich kooperiert: „So ein Einsatz ist sowas von teuer – und das zahlen die Steuerzahler!“

„Diskussion am Küchentisch“?

Die Mutter beschreibt die Lage hinter den Fenstern des Zweifamilienhauses als „Diskussion am Küchentisch“. Neben ihr und dem mutmaßlichen Täter seien auch noch die 75-jährige Oma, die Lebensgefährtin und das kleine Kind dabei gewesen. Dass rund ums Haus Polizisten und Spezialkräfte Position bezogen hatten, habe man drinnen gar nicht gemerkt. Und als letztlich Einheiten im schwarzen Wagen anrückten und Beamte im Haus die Pistole auf ihn gerichtet hatten, habe ihr Sohn auch keine Gegenwehr geleistet.

Tatsächlich bestätigte auch die Polizei, dass der Zugriff selbst zwar problemlos und ohne Gewalt vonstatten ging. Art und Dimension des Einsatzes aber seien völlig gerechtfertigt, so Björn Reusch, leitender Polizeisprecher, gegenüber dem TAGBLATT. Entscheidungsfaktoren an diesem frühen Morgen waren unter anderem die Zeugenaussagen, die Akte des Mannes und die Situation vor Ort: „Nach allen vorliegenden Erkenntnissen und mit Blick auf das Kind im Haus war es genau richtig“, so der Beamte. Nach der Alarmierung habe die Akte eine einschlägige Vorgeschichte ergeben: „Er ist polizeibekannt, wir hatten eine Lage mit Kind – und nun sind wir froh, dass es ohne Zwischenfälle beendet werden konnte.“ Die Polizei wolle es auch nicht Zeugen überlassen, eine Gefahr und ihre Entwicklung absolut präzise einzuschätzen, so Reusch: „Wir sind froh über jeden Zeugen, der eine solche Situation meldet. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn jemand Hemmungen hat, die 110 zu wählen.“

Nach TAGBLATT-Informationen war es eine Frau aus dem Umfeld der Lebensgefährtin des Mannes, die die Beamten am Morgen verständigt hatte. Vorstrafen beim 33-Jährigen gibt es offenbar im Bereich von Gewalt- und Betäubungsmittelkriminalität. In der Nacht soll er mindestens einmal geschlagen und mindestens mit einem Küchenwerkzeug gefuchtelt haben.

Bestätigt wird von der Staatsanwaltschaft zumindest eine körperliche Auseinandersetzung zwischen den beiden, die sich früher in der Nacht abgespielt haben soll und zwar Ermittlungen gegen den Mann, aber eben keinen Haftgrund abgebe. Die Taten und Worte des Streits habe der Mann noch am Dienstag eingeräumt, nachdem er sich zuvor beruhigt und sich in die Hände der Polizei begeben hatte, so Staatsanwältin Tatjana Grgic. Ihre Behörde ermittle, Stand jetzt, infolge des Verdachts der Bedrohung, der einfachen Körperverletzung und der Beleidigung.

Bedrohung und einfache Körperverletzung

Einfache Körperverletzung ist ein so genannter Grundtatbestand, der eine weite Spannbreite von Taten umfasst. Darauf auf baut erst die so genannte „gefährliche Körperverletzung“ (etwa bei Verwendung einer Waffe, eines Werkzeugs oder ähnlichem).

Bedrohung bedeutet Androhung eines Verbrechens. Sie wird nach StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

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Erstellt:
27.03.2019, 17:04 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 27.03.2019, 17:04 Uhr

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