Musikfest

Genusstour in den Wagenhallen

Hans-Christoph Rademann dirigiert ein geschmackvoll-unterhaltsames Auftaktkonzert.

15.06.2021

Von JÜRGEN KANOLD

Barocke Späße: Dirigent Hans-Christoph Rademann und Bariton Konstantin Krimmel. Foto: Bachakademie

Barocke Späße: Dirigent Hans-Christoph Rademann und Bariton Konstantin Krimmel. Foto: Bachakademie

Stuttgart. „Ei!, wie schmeckt der Coffee süße“, schwärmt das Liesgen in Bachs „Kaffeekantate“, und einen „Heißhunger auf Kultur“ vermutet Hans-Christoph Rademann, der Leiter der Internationalen Bachakademie Stuttgart, sowieso: Richtig, diese barocke „Genusstour“ war ein Labsal fürs Publikum, das am Samstagabend in den Wagenhallen live das Auftaktkonzert des Musikfests Stuttgart goutierte. Was nach dem ewigen Lockdown keiner mehr gehofft hatte: Das Festival ist nicht nur ein digitales Ereignis, sondern bietet regelrechte Konzerte an für anwesend begeisterte Zuhörerinnen und Zuhörer.

Das ist ein Glücksfall, eine unbestreitbare Gewissheit und in diesem Fall definitiv keine „#geschmacksache“ – so lautet das vielsagende Motto des Festivals. Konzert heißt ja nicht nur, dass Musik möglichst perfekt erklingt, es ist ein Dabeisein, Miterleben. Und ein äußerst fröhlich-lockerer Dirigent Rademann verbreitete in seiner Begrüßung gleich mal herzlichste Stimmung.

Was bei dieser Genusstour mit der Gaechinger Cantorey, mit dem Orchester auf Barockinstrumenten und dem Chor, so alles auf dem Weg lag: Tänze, turbulente Soli, tierischer Spaß, angefangen mit einer großen Ouvertüre aus einer Tafelmusik Georg Philipp Telemanns. Aus der „Kaffeekantate“ dann auch der Chor „Die Katze lässt das Mausen nicht“, als eine Replik auf Telemanns „Trauer-Music eines kunsterfahrenen Canarienvogels“, der von der Sopranistin Elisabeth Breuer mit Taschentuch, Rotz und Wasser heulend, vorgetragenen Arie „Friss, dass dir der Hals anschwelle, du unverschämter Gast“ – also ein den Vogel verspeisender Kater ist gemeint.

Händel, Vivaldi, Rameau – die „Genusstour“ bot allerlei, sternemäßig aufgetischt von den hervorragenden Gaechingern, mit starken solistischen Zutaten: Sonderapplaus für die Herren an Flöte, Oboe, Trompete und für die Konzertmeisterin. Ein üppiges Programm: mit allen Affekten, Launen, Späßen, Beschwingtheiten von Rademann dirigiert. Und neben Elisabeth Breuer hatte der junge, aus Ulm stammende Bariton Konstantin Krimmel einen grandiosen Auftritt als betrunkener Poet in einer Szene aus Purcells „The Fairy Queen“: so wohlklingend wie theatralisch bramarbasierend.

Diese „Genusstour“ wird am 16. Juni, 19 Uhr, auch als Online-Übertragung gesendet. Und was das Musikfest Stuttgart noch alles zu bieten hat, live oder digital, von Gesprächen im Hospitalhof zum Thema #geschmacksache etwa mit Sternekoch Vincent Klink, einem Open Air der Stuttgarter Philharmoniker am 19. Juni und Rossinis „Petite Messe Solennelle“ mit Rademann und der Gaechinger Cantorey am 26. Juni in der Liederhalle: Infos unter www.musikfest.de jük