Balingen

Gemeindetag will mehr Geld: «Wir sind nicht unersättlich»

Die Landesregierung stellt die finanzielle Lage der Kommunen nach Ansicht des Gemeindetags zu rosig dar.

16.11.2017

Von dpa/lsw

Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg. Foto: Deniz Calagan/Archiv dpa/lsw

Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg. Foto: Deniz Calagan/Archiv dpa/lsw

Balingen. Bei der finanziellen Ausstattung durch das Land lägen die Städte und Gemeinden im Südwesten keineswegs in der Spitzengruppe, sondern auf Platz zehn unter den den 13 Flächenländern, sagte der Präsident des Gemeindetags, Roger Kehle, am Donnerstag in Balingen. Es gebe noch Kommunen, die ihren Haushalt kaum ausgleichen könnten.

Der Gemeindetag hatte zu einer kommunalpolitischen Kundgebung geladen, zu der rund 750 Bürgermeister kamen. Sie vertreten rund zwei Drittel aller Gemeinden im Land. «Wir sind nicht unersättlich», sagte Kehle. Die Gemeinden bräuchten aber einen Ausgleich für neue vom Land zugewiesene Aufgaben.

Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) beharrte hingegen auf der Einschätzung, dass kaum ein anderes Bundesland so gut für seine Kommunen sorge wie Baden-Württemberg. Hierzulande seien die Pro-Kopf-Verschuldung am niedrigsten und die Investitionen am zweithöchsten. Der Landeshaushalt sehe einen gut dotierten Sanierungstopf für Instandsetzung von Schulen und Straßen vor, zudem könnten die Kommunen mit 1,3 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen rechnen. Aber: «Wir können auch nicht die ganze Zeit Händchen halten.»

Den Bürgermeistern brennt nach den Worten von Verbandschef Kehle auch ein anderes Problem unter den Nägeln. Die Städte und Gemeinden verkrafteten keinen Familiennachzug für Flüchtlinge. Das Land müsse sich dafür im Bund stark machen, dass der Nachzug ausgesetzt bleibe. Die Integration der bereits im Land lebenden Flüchtlinge sei noch lange nicht abgeschlossen. Es fehlten jährlich 65 000 Wohnungen im Land ebenso Kitaplätze, Erzieher und Lehrer. Die Eingliederung der Flüchtlinge in die Gesellschaft müsse Schritt für Schritt erfolgen und auch der Situation in den Herkunftsländern Rechnung tragen. «Wir können nicht kommunale Strukturen mit viel Steuergeld aufbauen, die später nicht benötigt werden.»

Auch bei der Bildung sind sich Land und Gemeinden nicht in allen Bereichen einig. Der Pakt für Familien mit einem 68-prozentigen Betriebskostenzuschuss habe das Land bei der Kleinkindbetreuung an die Spitze katapultiert, sagte Kehle. «So eine Grundlage sollten wir auch für Kindergärten finden.» Bei der Ganztagsbetreuung an Grundschulen spielten die Jamaika-Sondierer mit dem Gedanken, einem Rechtsanspruch darauf einzuführen. Auch hier stelle sich die Frage der Finanzierung, betonte Kehle. Angesichts der Probleme, Schulleiter zu finden, appellierte er erneut an das Land, deren Vergütung deutlich zu verbessern. Bei der Digitalisierung der Schulen wünscht sich Kehle ebenfalls mehr Geld vom Land. «Wer das Ende der Kreidezeit ausruft, muss auch die Mittel dafür bereitstellen.»

Ministerin Sitzmann setzte der Darstellung einer konfliktreichen Beziehung zwischen Land und Kommunen die Ergebnisse einer Umfrage entgegen: Nach dieser fühlen sich nur 23 Prozent der Bürgermeister in Deutschland von ihrer Landesregierung sehr gut unterstützt - in Baden-Württemberg seien es immerhin 62 Prozent.

Zum Schluss verkündete die Grünen-Politikerin den Bürgermeistern noch eine frohe Botschaft: Es sei geplant, Wahlbeamten - Bürgermeistern und Landräten- ohne Wartezeit die Versorgungsansprüche aus dem zuletzt bekleideten Amt zu gewähren. Die Verbesserung kommt denjenigen zugute, die kurz vor der Pensionierung in ein höheres Amt gewählt werden.

Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg. Foto: Deniz Calagan/Archiv dpa/lsw

Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg. Foto: Deniz Calagan/Archiv dpa/lsw