Hoffnung für Rongen

Gemeinderat weist Fläche für den Natursteinpark im Neckartal aus

Der Natursteinpark Rongen hat eine Zukunftsperspektive. Er könnte auf eine Fläche an der B 27 neben Hornbach ziehen. Der Tübinger Gemeinderat hat beschlossen, für das Gebiet einen Bebauungsplan aufzustellen. Zufrieden sind die Stadträte dennoch nicht. Lieber wären ihnen, der Betrieb dürfte im Schindhau bleiben.

30.07.2015

Tübingen. Heinrich Schmanns (AL/Grüne) platzte in der jüngsten Sitzung des Tübinger Gemeinderats der Kragen. So sehr, dass Oberbürgermeister Boris Palmer ihn ermahnte, doch den Ton zu mäßigen. Obwohl auch der OB dem Empörten inhaltlich recht gab. Wie später viele andere Gemeinderatsmitglieder auch. „Es kotzt mich an“, hatte Schmanns losgepoltert. Er halte es für widersinnig, dass ausgerechnet ein ökologischer Betrieb wie der Natursteinpark Rongen aus Naturschutzgründen nicht im Wald bleibe dürfe. „Dort wird mehr Naturschutz gemacht, als wenn der Forst die Fläche in die Hände bekommt“, schimpfte Schmanns weiter.

Manuel Rongen muss mit seinen Steinen den Schindhau verlassen (wir berichteten mehrfach), weil das Gebiet per Gesetz ein Wald ist (siehe Info-Kasten). Er steht unter Zeitdruck, weil er für einen Umzug nach eigenen Angaben drei Jahre bräuchte. Bis spätestens 2019 muss er aus dem Schindhau verschwunden sein, so wollen es die Behörden. Fast 160 Standorte hat er sich angeschaut. Doch immer wieder gingen die Alternativen nicht oder Bürgermeistern waren es zu wenig Arbeitsplätze (14 Mitarbeiter) für zu viel Flächenbedarf. „Die Fläche beim Hornbach ist unsere letzte Hoffnung“, hatte Rongen jüngst dem TAGBLATT gesagt.

Verbrauch von Ackerfläche als Preis

Um den mit sozialen und ökologischen Preisen ausgezeichneten Betrieb in Tübingen zu halten, hat der Gemeinderat nun mit sechs Gegenstimmen aus der CDU und bei einer Enthaltung der Linken beschlossen, für die 1,82 Hektar „Unter dem Kusterdinger Weg“ einen Bebauungsplan aufzustellen. Dabei haben sich die Stadträte und Stadträtinnen schwer getan. Denn das Gebiet liegt am Wald und hat fruchtbaren Boden. „Ackerland zu renaturieren, dauert 500 Jahre“, hatte der Waldhäuser Landwirt Ulrich Bechtle (CDU) gewarnt. Agrarbetriebe seien zudem auch Firmen mit Arbeitsplätzen. Seine Fraktion stimmte entsprechend überwiegend mit Nein.

Doch auch die Befürworter ärgerten sich, dass sie wegen der harten Haltung des Regierungspräsidiums eine wertvolle Fläche bebauen mussten. Ernst Gumrich (Tübinger Liste) nannte es einen „Treppenwitz“. Annette Schmidt (AL/Grüne) zählte Rongens Verdienste auf und sprach vom Dilemma zwischen einer Lösung für den Betrieb und dem Landschaftsverbrauch. Mit fast gleichen Worten äußerte sich Dorothea Kliche-Behnke (SPD).

Auch Palmer bezeichnete die Lage als „klassische Dilemmasituation“: „Wenn es nicht der Betrieb Rongen wäre, würde ich die Fläche in der Landwirtschaft belassen, zumal es dort ein Biolandwirt ist.“ Der Oberbürgermeister sagte auch: Mit dem Beschluss „ist noch nichts entschieden“. Zum Verfahren gehöre auch noch eine Bürgerbeteiligung. Und: Grund und Boden muss noch erworben werden. Die Fläche befindet sich in privatem Streubesitz.
Kein Problem dürfte werden, dass die Fläche im Überschwemungsgebiet liegt, in der eine Bebauung nach dem neuen Wassergesetz des Landes kaum noch möglich ist. Für die Lagerung von Steinen haben das Landratsamt und das Regierungspräsidium nach Angaben der Verwaltung Zustimmung signalisiert.

Anlieger setzen sich für den Betrieb ein

Christoph Hölscher von der „Initiative Galgenbergstraße“, die Rongens Vertreibung aus dem Schindhau mit einer Beschwerde über die Lärmbelästigung durch LKW unabsichtlich befördert hatte, gratulierte dem Inhaber jetzt „für die vom Gemeinderat genehmigten Flächen im Neckartal“. In einem Leserbrief (Dienstag-Ausgabe) hatten sich dagegen Anwohner der Galgenbergstraße hinter Rongen gestellt: „Frühere Leserbriefkampagnen gegen den Natursteinpark auf dem Schindhau wurden nach unserem Eindruck nur von einer Minderheit unserer Straße repräsentiert. Trotz der spürbaren Lärmbelästigung durch die Lastwagen überwiegt für uns die positive Bedeutung des Natursteinparks.“ Die Landesregierung solle handeln.

Manuel Rongen in seinem Natursteinepark im Schindhau.

Manuel Rongen in seinem Natursteinepark im Schindhau.

Seit 1992 gibt es den Natursteinpark auf dem ehemaligen Militärgelände auf dem Tübinger Schindhau – seit jeher ohne offizielle Genehmigung. Ebenso lange duldet die Stadt die Nutzung. Doch durch eine Anwohner-Initiative um Christoph Hölscher wurde das Thema im November 2012 öffentlich. Im Flächennutzungsplan ist der Platz offiziell als Wald ausgeschrieben, darf also nicht gewerblich genutzt werden. Eine Abwägung mit dem Klimaschutz lehnt das Regierungspräsidium ab. Dabei trägt der Betrieb durch das Recycling von Steinen viel dazu bei. Der Natur- und Umweltschutz sowie soziales Engagement gehören zur Philosophie des Unternehmens mit 14 Mitarbeitern. Auch hat sich die Natur auf dem Gelände entwickeln können. Es gibt dort ungewöhnlich hohe und alte Bäume, Fledermäuse, Zauneidechsen, Feuersalamander und verschiedene Specht-Arten.