Tüftler und Macher

Geht nicht gibt‘s nicht

Der Anfang November eröffnete Innoport auf dem früheren Reutlinger Betz-Areal bietet eine öffentliche Infrastruktur für neue Ideen und Konzepte. 40 Firmenpartner sind schon beteiligt. Aber auch Start-Ups und private Tüftler können dort experimentieren und sich austauschen.

04.12.2020

Von TEXT: Matthias Reichert|FOTOs: Horst Haas

Die Rakete ist gestartet: Der Innoport ist die Keimzelle des künftigen Industrieparks RT_Unlimited auf dem früheren Areal der Reutlinger Speditionsfirma Betz.Im Bild: bei der Eröffnung mit Reutlingens OB Thomas Keck und Wirtschaftsministerin Hofmeister-Kraut.

Die Rakete ist gestartet: Der Innoport ist die Keimzelle des künftigen Industrieparks RT_Unlimited auf dem früheren Areal der Reutlinger Speditionsfirma Betz.Im Bild: bei der Eröffnung mit Reutlingens OB Thomas Keck und Wirtschaftsministerin Hofmeister-Kraut.

Das Innovationszentrum Innoport hat als Logo eine Rakete – und diese ist Anfang November offiziell abgehoben, Landes-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hat persönlich den Start mitverfolgt. Seither hat der Betrieb begonnen, allerdings darf Corona-bedingt derzeit nur eine begrenzte Anzahl von Nutzern in das Gebäude.

Der Innoport ist die Keimzelle des künftigen Industrieparks RT_Unlimited auf dem früheren Betz-Areal (siehe Infobox). Start-ups, kleinere Betriebe und große Firmen, aber auch private Tüftler können hier die Infrastruktur nutzen, um neue Ideen zu entwickeln und sich miteinander auszutauschen. Dafür stehen hochmoderne „Maker-Spaces“ zur Verfügung. Im Erdgeschoss gibt es offene Werkstätten mit Hightech-Industriegeräten – 3-D-Druckern, Lasern, Schweißgeräten, CNC-Fräsen, Strickmaschinen. Der Roboter einer Partnerfirma stapelt Bierflaschen, eine hochmoderne Ultraschall-Nähmaschine soll demnächst Stoffe ganz ohne Fäden zusammenschweißen. In einer „Projektgarage“ können Firmen überdies eigene Maschinen einstellen oder neue entwickeln.

Die Sachwerte gehen bereits in die Hunderttausende. Die meisten dieser Geräte kommen von Partnerfirmen. Darunter beispielsweise Wafios, Zeltwanger, Datatec, Morgenstern, Ritter-Sport, Kärcher. „Wir unterstützen dieses großartige Projekt gerne, weil uns der Wirtschaftsstandort Reutlingen sehr am Herzen liegt“, schwärmt etwa Robin Morgenstern, Vorstandsvorsitzender des gleichnamigen Dokumentensystemhauses – der Innoport sei die perfekte Plattform, um technologieaffine Unternehmende und aufstrebende Start-ups der Region zu vernetzen und neue Geschäftsideen umzusetzen.

Rund 40 Partner sind es schon, und täglich gehen neue Anfragen ein, berichtet Peter Wilke, Leiter des städtischen Amtes für Wirtschaft und Immobilien: „Ich weiß gar nicht, wie viele Partner wir ohne Corona schon hätten.“ Im Gegenzug dafür, dass sie Maschinen zur Verfügung stellen, dürfen die Partner die Räume nutzen und dort beispielsweise auch Fortbildungen abhalten.

Die Reutlinger Hochschule ist ein weiterer Kooperationspartner. Beim Reutlinger Ausstatter Kaisys.IT, Lieferant der Computer-Infrastruktur, schwärmt man schon: „Wir machen den Innoport zu einem regionalen Silicon Valley“, so Geschäftsführer Ahmet Çakar. Weitere Firmen und Privatleute können Mitglieder werden und Räume samt Geräte für einen Jahresbeitrag nutzen. „Künftig können sie einfach herkommen“, sagt Wilke, tages- oder auch stundenweise. Start-ups zahlen weniger Beitrag als etablierte Unternehmen. 30 bis 50 Leute können künftig gleichzeitig die Werkstätten nutzen. Die Geräte sind digital gesichert und gesteuert, alle Nutzer bekommen zuvor Einführungen.

Im Obergeschoss warten Besprechungs- und Kreativräume. Legosteine liegen päckchenweise aus, mit denen die Nutzer spielerisch Ideen umsetzen und Problemstellungen durchgehen können. Im „Walt-Disney-Raum“ können Firmenbesprechungen künftig als Rollenspiel ablaufen: Der Kritiker sitzt auf einem Thron, der Träumer in einem weichen „Egg-Chair“, der Realist auf einem Betonklotz. Und die Rollen werden getauscht, damit alle Standpunkte zur Geltung kommen. In abgetrennten „Kreativboxen“ kann man Ideen austüfteln, unten gibt es einen großen „Community“-Raum für Konferenzen und weitere Veranstaltungen.

An den Wänden der Flure prangen Zitate von Sozialreformer Gustav Werner bis Tesla-Chef Elon Musk. „Geht nicht gibt‘ s nicht“, ist da beispielsweise zu lesen. Den Namen Innoport hat sich Reutlingens Wirtschaftsförderer Markus Flammer ausgedacht: Ein Hafen als Anlaufstelle für Neuerungen. „Eine öffentliche Innovations-Infrastruktur“, bringt Wilke die Idee auf den Punkt. Flammer und er hatten dieses Konzept für ein Landesprogramm zur Innovationsförderung entwickelt und eingereicht.

Mit Erfolg: Das Stuttgarter Wirtschaftsministerium hat das Projekt mit 252 000 Euro unterstützt. Die Stadt hat dieselbe Summe investiert. In anderthalb Jahren sind die Pläne nun umgesetzt worden. Die Räume sind grundsaniert, geputzt und frisch gestrichen worden. Und die Industriepartner haben Maschinen im Wert von bisher fast einer halben Million Euro beigesteuert.

Drei Mitarbeiter betreuen den Innoport vor Ort. Täglich kommen Interessenten, die Partner oder Mitglieder werden wollen, berichtet Adrian Schickler, Projektleiter Technik. Das Innovationszentrum steht auch privaten Tüftlern und Forschern offen, die sich im Verein „MakeRTreff“ zusammenfinden. Zentral ist der Austausch von Wissen – durch den Innoport soll ein großes Netzwerk entstehen, mit Mentoren und Gründungspaten.

Anders als die meisten übrigen Gebäude auf dem ehemaligen Betz-Gelände ist der neue Sitz des Innovationszentrums noch in gutem Zustand. Das Haus wurde einst für die logistische Abwicklung der Euro-Einführung im Jahr 2002 gebaut. „Es hieß früher EZB-Gebäude“, sagt Wilke – benannt nach der Europäischen Zentralbank. „Dort wurde Geld gelagert und dann ausgeliefert.“ Deshalb habe der Bau auch einen hohen Sicherheitsstandard. Derzeit nutzt der Innoport darin rund 1000 Quadratmeter Fläche. Aber in der angrenzenden Halle ist noch Platz für Erweiterungen.

Peter Wilke, Leiter des städtischen Amts für Wirtschaft und Immobilien in Reutlingen.

Peter Wilke, Leiter des städtischen Amts für Wirtschaft und Immobilien in Reutlingen.

Hightech im Innoport: Adrian Schickler, Projektleiter Technik, in den Werkstätten vor dem Roboter einer Partnerfirma des neuen Reutlinger Innovationszentrums.

Hightech im Innoport: Adrian Schickler, Projektleiter Technik, in den Werkstätten vor dem Roboter einer Partnerfirma des neuen Reutlinger Innovationszentrums.

RT_Unlimited
Die Nutzer stehen in den Startlöchern

Nach dem Wegzug der Speditionsfirma Betz hat die Stadt Reutlingen 2016/17 das insgesamt 12 Hektar große Gelände
im Industriegebiet „In Laisen“ aufgekauft. Seither haben Verwaltung und Gemeinderat ein Nutzungskonzept als Industriepark RT_Unlimited entwickelt. Dessen erster Leuchtturm ist nun das Innovationszentrum Innoport. Dieses sucht nach Überzeugung seiner Gründer deutschlandweit seinesgleichen. Für das

gesamte Betz-Areal ist der städtebauliche Rahmenplan kürzlich im Gemeinderat beschlossen worden, ein Kasseler Büro ist damit beauftragt worden, die Nutzer stehen in den Startlöchern. Wie Peter Wilke, der Leiter des städtischen Amtes für Wirtschaft und Immobilien, erläutert, werden 2021 zunächst die meisten Bestandsgebäude abgerissen, welche zumeist sehr baufällig sind. Dann können die Neuansiedlungen beginnen.

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Erstellt:
04.12.2020, 07:39 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 32sec
zuletzt aktualisiert: 04.12.2020, 07:39 Uhr

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