Harte Kritik am Afrika-Festival

Gegner werfen den Veranstaltern die Zusammenarbeit mit Diktatoren vor

Sechsmal schon hat der Verein Afrikaktiv das Afrikafestival auf dem Festplatz gestemmt. Doch es regt sich Widerstand – vor allem gegen die politische Ausrichtung des Festivals, bei dem stets auch Botschafter und damit Regierungsvertreter verschiedener afrikanischer Staaten anwesend sind. Staaten, die es mit den Menschenrechten nicht so genau nehmen.

04.12.2015

Von SABINE LOHR

Afrikaktiv; Logo 6. Afrika-Festival Tübingen 2015

Afrikaktiv; Logo 6. Afrika-Festival Tübingen 2015

Tübingen. Jean Marc Mpay ist schon fast so etwas wie ein Stammgast auf dem Tübinger Afrika-Festival. Zum Botschafter Kameruns pflegte Susan Tatah, die Vorsitzende von Afrikaktiv, beste Beziehungen – dreimal kam er nach Tübingen. Auch in diesem Jahr war er hier, zumal sich der Verein entschlossen hatte, Kamerun – die Heimat Tatahs – in den Mittelpunkt des Festivals zu stellen. Zudem ist Mpay neben Oberbürgermeister Boris Palmer als Aufsichtsrat des Vereins genannt.

Die ehemalige deutsche Kolonie Kamerun wird seit 1982 von Präsident Paul Biya regiert. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International werfen ihm vor, die Versammlungsfreiheit zu unterdrücken, Homosexuelle zu schikanieren und festzunehmen und die Aktivitäten von Journalisten und Regimekritikern einzuschränken. Politische Gegner würden verhaftet und jahrelang festgehalten. Die Haftbedingungen seien „grausam, unmenschlich und erniedrigend“, so Amnesty.

Ähnliche Vorwürfe erheben Menschenrechtler gegen andere afrikanische Staaten, deren Botschafter ebenfalls zum Afrikafestival gekommen sind – Burkina Faso, Togo, Simbabwe, Kongo und Äthiopien. Das ist der Anlass für den Tübinger Seyoum Habtemariam vom äthiopischen Menschenrechts-Komittee, das Afrikafestival zu kritisieren. Dazu nutzte er in der Vergangenheit immer wieder die Bürgerfragestunde im Gemeinderat, denn die Stadtverwaltung bezuschusst einzelne Veranstaltungen beim Festival.

Außerdem kritisieren die Festivalgegner, dass Palmer im Aufsichtsrat des Vereins sitzt. „Wir haben keinen Aufsichtsrat, wir sind ein ganz normaler Verein“, sagt Susan Tatah dazu. Palmer und Mpay würden lediglich als „Berater“ fungieren. Auf der Homepage des Vereins ist das allerdings anders dargestellt: Dort sind Palmer und Mpay als Aufsichtsräte genannt. „Das wird so kommuniziert“, gibt Tatah zu.

Tatah weist die Vorwürfe, sie würde mit dem Festival menschenrechtsverachtende Systeme unterstützen, zurück. „Wir sind offen für alle“, sagt sie. Zudem würden kritische Themen durchaus angesprochen. Beim Rathausempfang des Festivals in diesem Jahr seien Menschenrechtsverletzungen thematisiert worden. „Daraufhin hat Mpay das Festival verlassen, ohne uns zu informieren.“ Der Botschafter habe zudem einen negativen Bericht über das Festival an die kamerunische Regierung geschickt. „Er war sauer wegen der Fragen, die da an ihn gestellt wurden“, ist sich Tatah sicher und verspricht: „Wir laden ihn nicht mehr ein – er würde wohl auch nicht mehr kommen.“

Ausdrücklich lädt sie dagegen Habtemariam und seine Unterstützer ein: „Wenn sie dabei sein wollen, sind sie willkommen.“ Mit ihr gesprochen habe allerdings bisher niemand aus der Gruppe. Das wollen Habtemariam und seine Unterstützer auch nicht. „Wir wollen nicht gemeinsame Sache mit Tatah machen“, sagt Habtemariam. Er lehnt die Art des Festivals ab, wirft Tatah Kommerzialisierung und „Geldmacherei“ vor.

Lieber will er ein eigenes Festival auf die Beine stellen. Neben Musik, Tanz, Kunsthandwerk und Essen soll es dort verschiedene Workshops zu Themen wie Integration in Deutschland, Fluchtursachen, Politik, Geschichte oder Entwicklungszusammenarbeit geben. Dafür hat Habtemariam den Festplatz für drei Tage im Sommer beantragt – eine Woche vor dem Afrikaktiv-Festival. Das Ordnungsamt lehnte den Antrag ab. Auf dem Festplatz sind pro Jahr zehn Musikveranstaltungen geplant. „Die sind alle längst vergeben“, sagt Ordnungsamts-Chef Rainer Kaltenmark. Habtemariam ficht das wenig an: „Wir machen unser Festival. Wir finden einen Platz.“

Die Reaktion der Stadtverwaltung Tübingen

In der Bürgerfragestunde des Gemeinderats warfen Seyoum Habtemariam und zwei seiner Unterstützer der Stadtverwaltung vor, das Festival und damit Staaten wie Kamerun zu unterstützen. Die Erste Bürgermeisterin Christine Arbogast gab inzwischen auch schriftlich ausführlich Auskunft. Die
Verwaltung bezuschusse lediglich einzelne Projekte des Festivals. 2015 sei dies das Familienprogramm „Stark für die Zukunft“ mit Kinderkonzert und Workshops zu Graffiti und Akrobatik gewesen. Der Zuschuss in Höhe von 2500 Euro sei für das Honorar der beiden Künstler ausgegeben worden, die die Workshops geleitet haben. Die Verwaltung sei nicht der Ansicht, dass sie durch die punktuelle Förderung eine, wie Habtemariam es formulierte, „Plattform für menschenrechtsverletzende Regime“ finanziere.