Stuttgart 21

Gegner boykottieren Verhandlung

Wie soll die Gäubahn künftig zum Flughafen geführt werden? Darüber wird in Stuttgart vier Tage lang debattiert – allerdings ohne viele Gegner, die aus Angst vor einer Corona-Ansteckung fernbleiben.

27.04.2021

Von DAVID NAU

Noch müssen Reisende aus Richtung Zürich in die S-Bahn umsteigen, um zum Stuttgarter Flughafen zu gelangen. Mit Stuttgart 21 soll sich das ändern.  Foto: Marijan Murat/dpa

Noch müssen Reisende aus Richtung Zürich in die S-Bahn umsteigen, um zum Stuttgarter Flughafen zu gelangen. Mit Stuttgart 21 soll sich das ändern. Foto: Marijan Murat/dpa

Stuttgart. Bevor es richtig losgeht, ist der riesige, ohnehin schon nicht sehr volle Saal auf der Landesmesse am Stuttgarter Flughafen nochmal etwas leerer. Unter Protest verlassen die Vertreter mehrerer Verbände am Montagvormittag die Erörterung der Einwände, die hier stattfindet, noch während des ersten Tagesordnungspunkts, bei dem über Verfahrensfragen debattiert werden soll.

Vier Tage lang will das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens für den Abschnitt 1.3b des Bahnprojekts Stuttgart 21 darüber diskutieren, wie die Gäubahn, die Stuttgart mit Singen und dann weiter mit Zürich verbindet, künftig an den Stuttgarter Flughafen angeschlossen werden soll. Bislang fährt der Zug über die Panoramastrecke direkt in den Stuttgarter Hauptbahnhof. Im Rahmen des Bahnprojekts Stuttgart 21 soll sie über den Flughafen und den neuen Fildertunnel in den Tiefbahnhof geführt werden. Dafür hat die Bahn beantragt, die Gäubahnzüge über die Gleise der S-Bahn von Stuttgart-Rohr aus zum Flughafen zu führen, was viele Auswirkungen auf die Anwohner entlang der Strecke hat, mehr als 3200 Einwendungen gibt es gegen die Planungen.

Bevor es aber zum Austausch der Argumente und zum Streit zwischen den Vorteilen und Nachteilen der Streckenführung kommt, ergreifen am Montagmorgen zunächst die Projektgegner das Wort und kritisieren, dass das Regierungspräsidium die Veranstaltung trotz Pandemie abhalten will. Mehrere Redner verlangen den sofortigen Abbruch der Erörterung. Corona verbiete die Durchführung der Verhandlung, sagt etwa Dieter Reicherter, ein ehemaliger Richter, stellvertretend für mehrere Verbände. Weil die Corona-Regeln Treffen mehrerer Haushalte nicht erlaubten, hätten sich die Gegner nicht treffen können, um sich auf die Erörterung vorzubereiten. „Wir fühlen uns missbraucht“, sagt er.

Zudem könne man die Argumente nicht mit rechtlichem Beistand vorbringen, so Reicherter. Er verweist darauf, dass zum Beispiel der Rechtsanwalt der Schutzgemeinschaft Filder wegen Sorgen um seine Gesundheit nicht an der Veranstaltung teilnehmen könne und auch er selbst die Verhandlung wegen seines Alters und der Gesundheitsgefahr verlassen werde. „Somit fällt jede rechtliche Beratung aus, das verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip.“

Er könne angesichts der langen Planungszeit nicht verstehen, warum man die Erörterung nicht erst in einigen Monaten durchführen könne, wenn alle Teilnehmer geimpft seien, fügt Steffen Siegel, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Filder, hinzu. „Nach der Vorgeschichte kommt es wirklich nicht mehr auf ein halbes Jahr an“, sagt er und erntet den Applaus anderer Projektgegner. Darüber hinaus sei aus seiner Sicht die gesamte Erörterung eine, so wörtlich, „Witzveranstaltung“, wo doch allgemein bekannt sei, dass die Bahn die beantragte Trasse gar nicht haben wolle, sondern lieber einen rund zwölf Kilometer langen Tunnel (siehe Infokasten), den Steffen Bilger (CDU), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, jüngst vorgeschlagen hatte.

Bahn hält am Antrag fest

Das weist die Bahn zurück. Man halte am gestellten Antrag fest, sagte Peter Schütz, Anwalt und Rechtsberater der zuständigen DB Netz AG. „Es macht Sinn, darüber zu diskutieren, was für und gegen den Antrag spricht.“

Das sieht auch das Regierungspräsidium so, das im Planfeststellungsverfahren die Aufgabe hat, die verschiedenen Argumente für und gegen die Planung zu sammeln. Die endgültige Entscheidung über die Baugenehmigung trifft dann das Eisenbahnbundesamt (EBA). Man habe die Befürchtungen in Bezug auf Corona und den Tunnel abgewogen. „Wir meinen, die Verhandlung ist zumutbar und halten daran fest“, sagt Gertrud Bühler vom RP. Es sei zwar „bedauerlich“, dass der Anwalt der Projektgegner nicht kommen könne – allerdings hätten alle ihre Einwände auch bereits schriftlich eingereicht. „Ich wäre auch froh, wenn das Durcheinander mit Corona und dem Gäubahntunnel nicht entstanden wäre. Aber es ist, wie es ist.“

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Erstellt:
27.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 49sec
zuletzt aktualisiert: 27.04.2021, 06:00 Uhr

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