Nationalelf allzu locker bei Tests - Magenverstimmung: Neuer fehlt heute

Gefährliches Spielchen

WM-Halbfinale 2006 verloren, EM-Halbfinale 2012 ebenso - gegen Italien hat die Nationalelf eine Rechnung offen. Doch dafür ist eine andere Einstellung als beim 2:3 gegen England nötig. Manuel Neuer fehlt.

29.03.2016

Von GEROLD KNEHR

Gegen England musste Manuel Neuer dreimal hinter sich greifen. Heute gegen Italien schaut er zu Hause lediglich zu. Foto: dpa

Gegen England musste Manuel Neuer dreimal hinter sich greifen. Heute gegen Italien schaut er zu Hause lediglich zu. Foto: dpa

Berlin. Im Berliner Olympiastadion kann sich die Nationalelf ihrer Sache nie sicher sein. In der Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien führte die Auswahl von Joachim Löw im Oktober 2012 gegen Schweden nach einer Stunde mit 4:0 - und musste sich am Ende einer historischen Begegnung in der Hauptstadt mit einem 4:4 zufrieden geben.

Nicht ganz so spektakulär, aber nach demselben Strickmuster verlief am Samstag das drittletzte Testspiel vor der Nominierung des Kaders für die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli). Am Samstag lag die DFB-Auswahl dank der Treffer von Toni Kroos und Mario Gomez mit 2:0 vorn, ehe ebenfalls nach einer Stunde die Konzentration verloren ging - und damit auch das Spiel. Das junge, unerfahrene, aber technisch überraschend starke englische Team drehte die Partie unter anderem durch einen herrlichen Hacken-Treffer des englischen Stürmer-Shooting-Stars Jamie Vardy zum 3:2-Erfolg. Die lautstarken Fans von der Insel waren selig.

Ganz anders Joachim Löw. "Auch damit können wir mal leben", knurrte er zwar. Doch seine Miene besagte etwas ganz anderes. Ungewohnt klar sprach der Bundestrainer die fehlende Ballkontrolle, die Probleme im Spielaufbau und die fehlende Torgefahr über weite Phasen der Begegnung an.

Am meisten geärgert haben dürfte den Bundestrainer allerdings die einmal mehr zu Tage tretende fehlende Einstellung bei Testspielen. "Es ist einfach so, dass wir den Testspielcharakter, und da spreche ich auch von mir selbst, nicht abschütteln konnten. Man ertappt sich dabei, dass man den letzten Schritt nicht aggressiv genug macht", gestand Thomas Müller ehrlich ein: "Das ist leider nichts Neues, dass wir in Testspielen nicht ganz so gut aussehen."

Es ist ein gefährliches Spielchen, welches die Nationalmannschaft treibt - mit sich und ihren Fans. Mit solch einer Einstellung wird der Weltmeister-Bonus beim zahlenden Publikum bald verspielt sein. Und auch die Vorstellung, der Bundestrainer werde ähnlich wie vor den letzten großen Turnieren, die Mannschaft in der direkten unmittelbaren Vorbereitung das Team quasi auf den letzten Drücker schon noch fit bekommen, ist durchaus riskant. Was in der Vergangenheit klappte, darf nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden.

An der legeren Einstellung seines Teams hat auch der Bundestrainer seinen Anteil. Löw hatte schon vor der Niederlage seinem Team am Ostersonntag frei gegeben. Gestern traf sich die Mannschaft in München wieder, wo heute (20.45 Uhr) der nächste Test gegen Italien bervorsteht - jenes Team, gegen das die DFB-Auswahl im WM-Halbfinale 2006 und im EM-Halbfinale 2012 jeweils 1:2 verlor.

Einer war nicht dabei. Manuel Neuer, der am Ostersonntag seinen 30. Geburtstag feierte, meldete sich gestern mit einer Magenverstimmung ab. Mit Marc-Andre ter Stegen, Bernd Leno und Kevin Trapp hat der Bundestrainer drei weitere EM-Torhüter-Kandidaten im Kader, nachrücken wird vermutlich ter Stegen, der beim FC Barcelona in Punktspielen der Primera Division nur auf der Ersatzbank sitzt und sich Gedanken über einen Vereinswechsel macht.

Weitere Wechsel sind angedacht, insbesondere die in der Champions- und Europa-League strapazierten Spieler sollen in München geschont werden und nicht die vollen 90 Minuten durchspielen.

Auch Mario Gomez wird zunächst auf der Bank Platz nehmen - obwohl er einer der wenigen Gewinner bei der 1:2-Niederlage in Berlin war. Mit seinem Kopfball-Treffer zur 2:0-Führung hat er gezeigt, dass ein echter Mittelstürmer, der bei Trainern wir Löw oder Pep Guardiola eine Zeitlang geradezu verpönt schien, durchaus seine Daseinsberechtigung hat. Der Riedlinger dürfte sich, anders als bei der WM 2014, sein Turnier-Ticket gesichert haben.