Krimi

Gangster mit erlesenen Manieren

Im ungewöhnlichen neuen „Tatort“ mit Wotan Wilke Möhring geht es um überraschend kultivierte Mitglieder der Russenmafia.

16.04.2021

Von MARTIN WEBER

Der Einsatz läuft aus dem Ruder: Falke (Wotan Wilke Möhring) mit Kollegin Katia (Anja Taschenberg). Foto: Meyerbroeker/NDR/dpa

Der Einsatz läuft aus dem Ruder: Falke (Wotan Wilke Möhring) mit Kollegin Katia (Anja Taschenberg). Foto: Meyerbroeker/NDR/dpa

Hamburg. Angehörige der sogenannten Russenmafia sind im Fernsehkrimi relativ leicht zu erkennen: Sie tragen die Haare gerne ultrakurz, haben einen stechenden Blick, muskulöse Oberarme und sind großflächig tätowiert. Ganz anders im neuen „Tatort“: Die Mitglieder dieser schwerkriminellen russischen Familie spielen Klavier, haben Umgangsformen, teure Möbel in geschmackvollen Villen und Kunst an den Wänden. Außerdem wirken die Timofejews auch rein optisch eher wie eine Künstlerfamilie oder russische Adelige aus früheren Tagen.

Das ist natürlich Absicht, denn Regisseur und Drehbuchautor Niki Stein schert sich nicht um Klischees und lässt in seinem Krimi „Tatort: Macht der Familie“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) Figuren und Motive aus großen russischen Romanen des 19. Jahrhunderts anklingen: Es geht um Schicksal, Liebe, Schuld, Vergebung und natürlich um unauflösbare Familienbande – eine erfrischend Herangehensweise an einen TV-Krimi.

Die in Hamburg lebenden Timofejews verkaufen tagsüber ganz seriös Landmaschinen und verhökern nachts illegal Raketen, Bomben und andere Kriegswaffen. Die Bundespolizei um den erfahrenen Ermittler Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und die frisch zur Polizeihauptkommissarin beförderten Julia Grosz (Franziska Weisz) ist dank eines verdeckten Ermittlers kurz davor, der Sippe um Patriarch Victor Timofejew (Wladimir Tarasjanz) das Handwerk zu legen. Doch dann geht alles schief.

Bei einer Geldübergabe lotst Timofejews Neffe Nicolai (Jakub Gierszal) den Undercover-Ermittler zum Flughafen und in ein Privatflugzeug, das nach Zypern fliegen soll. Doch über dem Mittelmeer explodiert eine Bombe und reißt die Männer samt Besatzung in den Tod. Weisz, die den Einsatz geleitet hat, ist am Boden zerstört, doch sie gibt nicht auf: Mit Hilfe von Timofejews Nichte Marija (Tatiana Nekrasov), die beim LKA Hamburg arbeitet und als Lockvogel tätig werden soll, will sie das Bombenattentat aufklären.

Falke ist von diesem gefährlichen Plan alles andere als begeistert. Doch die junge Frau lässt sich auf das Vorhaben ein und nimmt nach jahrelanger Funkstille wieder Kontakt zu ihrer Familie auf, die den Tod Nicolais betrauert.

Regisseur Niki Stein hat seinen neuen „Tatort“ als Mischung aus Familientragödie und Thriller aufwendig inszeniert und beweist dabei sein Gespür für atmosphärische Drehorte: Die Szenen spielen am Hafen oder am Flughafen, in der Villa der Timofejews oder ihrem mondänen Jagdhaus – das verleiht diesem Sonntagskrimi eine hochwertige Optik fast wie im Kino. Dazu kommt ein spannender Plot, der nur einen kleinen Schönheitsfehler hat: Dass ausgerechnet Marjia als Ermittlerin gegen ihre eigene Familie mobilisiert wird, ist ziemlich weit hergeholt. Sehenswert ist der neue „Tatort“ aber trotzdem.

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Erstellt:
16.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 17sec
zuletzt aktualisiert: 16.04.2021, 06:00 Uhr

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