Auf einer Wellenlänge

Funkamateure aus Aix-en-Provence und Tübingen pflegen ihre Verbindungen seit über 40 Jahren

Im Zeitalter von E-Mail, Facebook oder Skype pflegen Amateurfunker eine fossil anmutendes Leidenschaft. Dabei treffen sich jedoch Menschen auf buchstäblich gleicher Wellenlänge, es entstehen Freundschaften: Tübinger Funker und solche aus Aix-en-Provence pflegen ihre Verbindung seit über 40 Jahren.

08.07.2016

Funkamateure aus Aix-en-Provence und Tübingen pflegen ihre Verbindungen seit über 40 Jahren

Tübingen. Die Freundschaft zwischen Funkamateuren aus Aix-en-Provence und Tübingen begann im Jahr 1975, als die Bihlmayers aus Lustnau mit ihren beiden kleinen Töchtern mit dem Zelt auf dem Aixer Campingplatz den Urlaub verbrachten. Weil das Wasser des dortigen Swimmingpools total verkeimt war, bekamen die beiden Mächen bald heftige Ohrenschmerzen und Brechdurchfall. Ein herbeigerufener Arzt verschrieb Tabletten, welche die beiden Mädchen jedoch wieder erbrachen. Beide Mädchen waren nach zwei, drei Tagen so schwach, dass sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnten.

Als lizenzierter Funkamateur hatte Ulrich Bihlmayer ein kleines Funkgerät dabei, mit dem er sich schon die Tage zuvor in die Gespräche der Funkamateure in und um Aix-en-Provence eingeklinkt hatte. Er erzählte seinen Aixer Funkfreunden von dem Problem und bat sie um Rat. Sein dringender Hilferuf wurde von dem Aixer Funkamateur René Caramel aufgefangen. Der Krankenpfleger kam rasch auf den Campingplatz und lud die Mädchen tagsüber zu sich in die kühle Wohnung ein. Außerdem brachte er sie in eine Klinik, wo sie eine Spritze bekamen. Renés Frau Gaby, eine Krankenschwester, kam an den nächsten Tagen regelmäßig in die Wohnung, um weitere Spritzen zu verabreichen, und Funkamateur Bihlmayer durfte in der Zwischenzeit so viele Funkverbindungen wie er wollte von René Caramels Funkstation tätigen. Mit den richtigen Medikamenten ging es den beiden Bihlmayer-Töchtern schnell besser. Seither waren die Bihlmayers häufig in der Provence, und die Caramels besuchten sie auch in Tübingen.

Dies war der Beginn der jetzt über 40-jährigen Freundschaft, denn seitdem treffen sich Funkamateure aus Aix-en-Provence und Tübingen regelmäßig jeden Sonntagmorgen auf Kurzwelle zu einem kurzen oder längeren Plausch. Üblicherweise kommt eine Gruppe von fünf oder sechs Personen zusammen. Manche Aixer und Tübinger Funkamateure kennen sich sogar persönlich.

Die Idee, zur Feier des 40-jährigen Bestehens der Funkerfreundschaft zwischen Aix-en-Provence und Tübingen ein Sonderrufzeichen (Sonder-Call) bei der Bundesnetzagentur zu beantragen, kam den Aixer und Tübinger Funkamateuren anfang des Jahres 2015 während einer Funker-Runde: Die Zahl „40“ und „Aix-en-Provence“ sollte in dem Rufzeichen erscheinen, und so kam es zu dem Call „DQ40AIX“. Die Dauer der Nutzung erstreckte sich vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2015.

Tübinger Hauptaktivisten während dieses Zeitraums waren der heute 76-jährige Ulrich Bihlmayer (Amateurrufzeichen DJ9KR) aus der Eichhaldenstraße und Roman Brunel (DL3TU) aus der Aixer Straße. Bihlmayer war das ganze Jahr über im Sprechfunk als „DQ40AIX“ zugange, Brunel aktivierte das Call als „DQ40AIX/portabel“ von seinen Wohnung aus in der Aixer Straße in Morsefunk (Telegrafie).

Bihlmayer führte während des ganzen Jahres 623 Funkverbindungen in Sprechfunk aus und erreichte 68 verschiedene Länder auf der ganzen Welt. Er suchte nach eigenen Angaben ganz gezielt ferne oder „seltene“ Länder. Darunter waren Swasiland, Togo, Kenia, West-Malaysia, die Philippinen, der Gaza-Streifen im Westjordanland, die Insel Guadeloupe, die Insel Réunion, Thailand, Japan, die Bäreninsel, die Svalbard-Insel, USA, Puerto Rico, Brasilien, Usbekistan, Kasachstan, die St. Kitts und Nevis-Inseln, Kanada, Indien, Indonesien, die Insel St. Helena, die Cayman-Insel und Neuseeland.

Funkerkollege Brunel schaffte mehr Funkverbindungen als Bihlmayer (1609), erreichte aber nicht ganz so viele Länder (47): Israel, Togo, Azoren, Balearen, Kanaren, Isle of Man, Japan, die USA, US Virgin Islands, Asiatisches Russland, Kanada, Australien und Indien.ST

Info: Der Ortsverband Tübingen im Deutschen Amateur-Radio-Club wurde im Jahr 1949 gegründet. Im März 2012 fusionierten die Tübinger mit dem Ortsverband Achalm. Durch die Fusion hat der gemeinsame Ortsverband derzeit etwa 100 Mitglieder.

Neben den monatlichen Treffen (beispielsweise heute ab 19.30 Uhr im TSG-Heim) finden regelmäßig Ausbildungskurse für die Amateurfunk-Genehmigung statt. Aus- und Weiterbildung ist ein Schwerpunkt des Ortsverbandes. Amateurfunk-Peilen (ARDF), Fielddays, Teilnahme an Wettbewerben und Bastelaktionen gehören ebenso zum jährlichen Programm wie Ausflüge, Veranstaltung von Ferienspielen und die jährliche Teilnahme am Tübinger Weihnachtsmarkt. Weitere Infos unter: www.darc.de

Roman Brunel, der Tübinger Morsefunker.

Roman Brunel, der Tübinger Morsefunker.

Ulrich Bihlmayer (Funkrufzeichen DJ9KR) im Jahr 1975 auf dem Campingplatz in Aix-en-Provence.Privatbilder

Ulrich Bihlmayer (Funkrufzeichen DJ9KR) im Jahr 1975 auf dem Campingplatz in Aix-en-Provence.Privatbilder

Die QSL-Karte zur 40-jährigen Funker-Freundschaft

Funkamateure tauschen sogenannte QSL-Karten aus. Sie dienen als Bestätigung des durchgeführten Funkverkehrs. Die abgebildete Karte zeigt in der linken oberen Ecke das Sonderrufzeichen DQ40AIX. Darunter ist der Brunnen am Ende des Cours Mirabeau in Aix-en-Provence mit seinen Wasserspielen, die „Rotonde“, abgebildet. Rechts oben sieht man die Tübinger Neckarfront und darunter zweisprachig den Text „40 Jahre Amateurfunkfreundschaft zwischen Funkamateuren aus Aix-en-Provence, Frankreich, und Tübingen“.

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Erstellt:
08.07.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 10sec
zuletzt aktualisiert: 08.07.2016, 01:00 Uhr

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