Tübingen/Stuttgart · Beachvolleyball

„Fühlt sich unvollendet an“

Chantal Laboureur (30) ist drei Wochen nach der Trennung von Sandra Ittlinger (26) noch auf Suche nach einer neuen Partnerin. Nachdem sich Julia Sude, mit der Laboureur einst Weltranglisten-Erste war, vor knapp zwei Jahren von ihr getrennt hatte und nun mit Karla Borger spielt, hat sich kürzlich auch Ittlinger entschieden, einen anderen Weg einzuschlagen. Das TAGBLATT fragte Laboureur nach den Umständen der Trennung, den Chancen auf eine Zusammenarbeit mit Olympiasiegerin Kira Walkenhorst und den Traum von Olympia, den die Tübinger Medizinstudentin einfach nicht aufgeben will.

26.11.2020

Von Vincent Meissner

Gehen getrennte Wege: Chantal Laboureur (links) und Sandra Ittlinger. Bild: Markus Schmid / Bearbeitung: Uhland2

Gehen getrennte Wege: Chantal Laboureur (links) und Sandra Ittlinger. Bild: Markus Schmid / Bearbeitung: Uhland2

Frau Laboureur, wie steht es um Ihren Glauben an die Menschheit?

Mhm, was die sportliche Seite meines Lebens betrifft, könnte ich definitiv gerade in einer besseren Situation sein. Das Ende dieses Jahres hatte ich mir anders vorgestellt. Aber ich kann niemanden zu etwas zwingen. Wenn Sandra andere Ziele hat, kann ich nicht sagen, du musst mit mir zusammenspielen. Sie sieht die Chance, dass wir uns für die Olympischen Spiele in Tokio 2021 qualifizieren als nicht mehr gegeben.

Wie hat sie Ihnen die Entscheidung mitgeteilt?

Am Telefon. Sie hatte aber zwei, drei Wochen vor der endgültigen Entscheidung schon von ihren Zweifeln erzählt.

Wobei der Zeitpunkt der Trennung schon sehr verwundert: Normalerweise geht es bei der Beachvolleyball-Partnervermittlung immer nach Olympischen Spielen hoch her.

Ja, es ist gerade auch nicht einfach, jemanden zu finden, der die gleichen Ziele hat wie ich. Ich würde schon sehr gerne international weiterspielen. Aber die besten sechs, acht deutschen Spielerinnen sind weg, weil sie selbst nach Tokio wollen.

Wie viele Stunden beschäftigen Sie sich mit der Partnersuche?

Ganz am Anfang habe ich bestimmt vier, fünf Stunden am Tag damit verbracht. Ich habe viele Trainer angerufen und mich bei ihnen erkundigt. Hinzu kamen auch noch einige organisatorische Dinge. Wir mussten beispielsweise unsere Sponsoren über die Trennung informieren. Die sollten das ja möglichst nicht aus der Presse erfahren.

Sind das persönliche Sponsoren oder Team-Sponsoren gewesen?

Wir werden als Team gesponsert. Sandra hat ein paar Sponsoren mitgebracht und ich habe ein paar. Viele Verträge laufen aber auch zum Jahresende aus und wir werden alle vertraglichen Dinge bis zum Jahresende erfüllen.

Das heißt, Sie treffen sich jetzt noch zu Fotoshootings mit Sandra Ittlinger?

Eine Sache wäre im Dezember geplant gewesen, ist jetzt aber auch wegen der Corona-Pandemie abgesagt.

Sie hatten wegen der Corona-Pandemie durch ausgefallene Turniere dieses Jahr deutlich weniger Turniere und dadurch auch weniger Möglichkeiten, Preisgelder einzuspielen. Haben Sie stattdessen staatliche Finanzhilfe bekommen?

Nein, ich habe da nichts beantragt. Wir wären für Staatshilfen aber wohl auch nicht infrage gekommen. Ich bin als Sportsoldatin in der Bundeswehr und habe auch während der Corona-Zeit glücklicherweise dieses feste Einkommen bekommen. Jedes Jahr wird aber neu über die Sportfördergruppenplätze entschieden. Für 2021 ist die Bewilligung aber da. Ich weiß, dass es vom Volleyball-Weltverband FIVB ein Angebot für Teams gab, die es anders nicht stemmen konnten. Aber in die Kategorie sind wir nicht gefallen.

Bis wann wollen Sie Ihre neue Partnerin gefunden haben?

Auf der einen Seite möchte ich mich nicht stressen lassen – und manchmal dauert so was einfach länger. Andererseits möchte ich es auch nicht endlos lang rauszögern.

Das heißt, bis Weihnachten sollte das schon geklärt sein?

Das wäre schön.

Mit wem haben Sie denn schon konkret gesprochen?

Da kann ich leider keine weitere Auskunft geben.

Kira Walkenhorst, die Olympiasiegerin von 2016, kennen Sie ja recht gut, da sie in der Vergangenheit immer wieder mit ihr zusammengespielt haben. 2012 sind Sie gemeinsam mit ihr U23-Europameisterin gewesen.

Ja, das stimmt.

Walkenhorst scheint ja nach ihrem Comeback noch keine richtig feste Partnerin gefunden zu haben. Wäre das nicht was? Haben Sie mit ihr schon telefoniert?

(Lacht) Ich kann da leider keine weitere Auskunft geben.

Wie groß schätzen Sie denn die Gefahr ein, dass Ihre internationale Karriere jetzt endet?

(Überlegt) Mein Wunsch ist: klein. Aber es ist schwer einzuschätzen. Es kommt auf mehrere Dinge an. Ich brauche eine Partnerin, die erstens auch international spielen möchte und dann auch internationale Punkte mit in die Partnerschaft bringt, damit man in die Turniere überhaupt hineinkommt. Und es gibt da auch ein paar organisatorische Fragen. Etwa, ob künftig vor den Turnieren wieder mit einer Country Quota ausgespielt wird, welche vier deutschen Teams teilnehmen dürfen oder ob weiter der Verband die Teams festlegt.

War’s das also für Sie mit dem Traum von Olympia in Tokio?

Wahrscheinlich leider ja. Auch da sind die Regeln ein Problem. Um als Team bei den Olympischen Spielen mitzuspielen, muss man zwölf Turniere gemeinsam gespielt haben. Nächstes Jahr wird es aber nur maximal neun Turniere geben bis zur Nominierungsdeadline für die Olympischen Spiele. Insofern wird es weder für Sandra noch für mich möglich sein, nach Tokio zu fahren. Außer vielleicht es verletzt sich noch jemand.

Würden Sie im Fall der Fälle noch mal mit Julia Sude zusammenspielen, sollte sich deren Partnerin Karla Borger verletzen?

Warum nicht!?

Wie sehr schmerzt es, zu wissen, dass es wohl nichts wird mit Olympia?

Schon ziemlich. Weil auch alles darauf ausgelegt war, im nächsten Jahr noch mehr Gas zu geben. In der Uni bin ich kurz vor Weihnachten scheinfrei, meine Schulterverletzung ist vollkommen ausgeheilt und wir sind ja auch im September noch Deutsche Meisterinnen geworden. Das ist schon eine bittere Pille, dass ich es jetzt nicht mehr selbst in der Hand habe. Irgendwie fühlt es sich unvollendet an. Olympia hat ja fast jeder ambitionierte Sportler als Ziel im Leben. Wobei mein Freund auch sagt: „Ihr immer mit diesem Olympia.“ Und da hat er ja irgendwie recht: Olympia ist „nur“ ein Turnier in vier Jahren. Aber die Zeit dazwischen macht ja auch Spaß und dafür brennen wir ja auch. Auch wenn es keine Olympischen Spiele gäbe, würde ich trotzdem Beachvolleyball spielen.

Wobei es theoretisch ja auch die Spiele 2024 in Paris noch gibt. Ist das noch ein Fernziel?

Ausschließen will ich es auf keinen Fall. Aber ich würde auch diese Entscheidung nächstes Jahr treffen. Es wird ja generell spannend, wer nach dem Sommer mit wem weiterspielt.

Letzte Medizinprüfungen an der Uni Tübingen im Dezember

Vor Weihnachten stehen für Chantal Laboureur noch die letzten Prüfungen in ihrem Medizinstudium an der Uni Tübingen an. „Bis dahin wird es sicher noch ein bisschen anstrengend“, sagt sie. Danach ist sie scheinfrei. Das Athletik- und Krafttraining mit Athletiktrainer Martin Brenner in Stuttgart, wo Laboureur auch lebt, läuft gerade normal weiter. Vor vier Wochen hat auch das Balltraining wieder begonnen. Am Olympiastützpunkt in Stuttgart kann sich Laboureur dafür hin und wieder beim Nachwuchs von Jörg Ahmann einklinken. Ansonsten trainiert sie auch mal mit ihrem Freund oder anderen Beachvolleyballern.

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Erstellt:
26.11.2020, 12:07 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 10sec
zuletzt aktualisiert: 26.11.2020, 12:07 Uhr

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