Mit Engelszungen

Frühlingsblues mit Winterjacke

Am Freitag hat es Bindfäden geregnet, am Sonntag hat die Sonne nicht lange durchgehalten, und gestern ist Schneegraupel vom Himmel gepladdert.

19.03.2019

Von Matthias Reichert

Grauer Himmel, graue Gesichter – die Passanten in der Reutlinger Innenstadt hasten die Wilhelmstraße entlang und flüchten nach ein paar Metern in die Straßencafés: Kaffee und Kuchen, um die frostige Stimmung aufzuwärmen. Ja er ist’s – von wegen! In den vergangenen Wochen war es eher herbstlich, zudem sind Sturmtiefs über die Alb gepfiffen. Der Frühling soll dann am Mittwoch kommen. Ob er aber über Oberammergau … Spätestens, wenn der Brexit tatsächlich vollzogen wird, hat es 35 Grad im Schatten. Bis dahin lassen wir halt die Winterjacken an.

Gut – über das Wetter zu schimpfen, ist so sinnvoll wie ein Gespräch über Schnupfen. Ohne Medikamente dauert eine Erkältung sieben Tage, mit Tabletten eine Woche, sagte ein weiser Mediziner. Aber man wünscht sich schon, der Frühling käme. Blütenpracht in der Pomologie, Krokusse in den Gärten am Georgenberg, morgendliches Vogelkonzert vielhundertstimmig an der Achalm.

Stattdessen: Herbststimmung im März. Wo kann man sich beschweren? Wäre das Wetter der vergangenen Wochen ein Roman von Martin Suter, würde man ihn umgehend in der Buchhandlung umtauschen wegen akuter Stimmungstrübung.

Aber am Wetter ist nicht einmal die Deutsche Bahn schuld, die deswegen höchstens die Fernzüge von der Strecke nimmt. Stürme und Streiks fallen unter höhere Gewalt, heißt es im Kleingedruckten der Beförderungsrichtlinien – die Bahn übernimmt keine Haftung für miese Witterung. Und den obligatorischen Schnupfen gibt’s auf dem Heimweg vom Bahnhof gratis dazu (Behandlungsdauer: siehe oben).

Ja, dieser Frühling hat bisher Husten und Schnupfen gehabt. Zuvor war der Winter weitgehend ausgefallen, der Klimawandel macht’s möglich. Das herbstliche Wetter zum Märzbeginn hat aber auch sein Gutes. Es fördert den Umsatz in den Kneipen und Kinos und belebt so das Reutlinger Nachtleben, das bekanntlich jede Ankurbelung brauchen kann. Der Regen hat die Wiesen und Felder gegossen, er füllt die Tonnen, aus denen Hobbygärtner ihre Pflanzen gießen. Und er beflügelt die Kreativität. Ganze Klavierkonzerte sollen schon entstanden sein, weil die Komponisten inspiriert wurden durch den melodischen Klang von Regentropfen, die in Pfützen pladderten: Der Sound dieses Frühjahrs, bald auch auf Spotify.

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Erstellt:
19.03.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 05sec
zuletzt aktualisiert: 19.03.2019, 01:00 Uhr

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