2. Basketball-Bundesliga Pro A · Interview

Geschasster Tigers-Trainer Spradley: „Loyalität war früher größer“

Der von den Tigers Tübingen entlassene Trainer Douglas Spradley spricht im Interview über seinen Rauswurf.

04.01.2020

Von Vincent Meissner

War für 16 Spiele Trainer der Tigers Tübingen und holte acht Siege: Douglas Spradley. Bild: Ulmer

War für 16 Spiele Trainer der Tigers Tübingen und holte acht Siege: Douglas Spradley. Bild: Ulmer

Am Freitag hat er die letzten formalen Dinge in Tübingen geregelt. Am Samstag zieht Douglas Spradley zurück nach Niedersachsen, wo auch seine Lebensgefährtin wohnt. Im TAGBLATT-Interview spricht er wenige Tage nach seiner Entlassung bei den Tigers über die Qualität der Mannschaft, eigene Fehler – und die Vorwürfe gegen ihn.

Herr Spradley, wie überrascht waren Sie am Silvestermorgen, als Sie von Ihrer Entlassung erfahren haben?

Wenn man Derbyspiele verliert, ist es immer ein Risiko. Ich hatte schon tags zuvor gemerkt, dass es ein Treffen der Klubführung gegeben hat. Auch ich hatte ein Gespräch mit Manager Robert Wintermantel, in dem ich ihm gesagt habe, was ich gerne ändern möchte. Als er beim Training am Montag in die Halle kam, war die Begrüßung anders als sonst. Danach bin ich nach Hause und habe meine Familie informiert, dass ich glaube, dass es passieren wird. Es ist nie ein gutes Gefühl, aber es hat mich nicht überrascht. Klar, wir sind theoretisch nur ein Spiel hinter den Playoffs, aber die Leute hatten eine andere Vorstellung – und ich auch. Ich glaube, wir hätten die Kurve gekriegt. Aber leider gibt es hier viele negative Gedanken, was wahrscheinlich an der schweren Vergangenheit in Tübingen liegt.

Welche Forderung haben Sie in dem Gespräch mit Geschäftsführer Wintermantel formuliert?

Wir hatten einfach ein Gespräch über die Situation und unsere Optionen. Ich habe gesagt: So, wie wir im Moment spielen, wird es schwierig mit diesem Kader unser Ziel zu erreichen. Das heißt nicht, dass es unmöglich ist. Jeder Spieler hat Qualität. Aber wenn der eine oder andere Spieler – und die Spieler habe nicht nur ich ausgesucht, sondern auch Robert und mein Co-Trainer Andy Hipsher – die Erwartungen nicht erfüllt, muss man etwas verändern. Und das ist dann entweder der Coach – oder einen zusätzlichen Spieler reinbringen oder einen austauschen.

Als Manager Robert Wintermantel (rechts) am Montag in die Halle kam, wusste Spradley, dass er seinen Job wohl los ist. Bild: Ulmer

Als Manager Robert Wintermantel (rechts) am Montag in die Halle kam, wusste Spradley, dass er seinen Job wohl los ist. Bild: Ulmer

Sie forderten also einen neuen Spieler?

Wenn man mit diesem Budget wie wir arbeitet, ist es auch immer eine gewisse Glückssache: Entweder die Spieler schlagen richtig ein und spielen konstant, es ist ein Auf und Ab oder teilweise sind sie nicht gut genug. Ich glaube, ein neuer Spieler hätte vielleicht einen Impuls gebracht und hätte einen Unterschied gemacht. Die Spieler haben alles gegeben, hart gekämpft im Training, aber es fehlt ein kleines Puzzleteil. Dass wir auf zwei Ausländerpositionen so inkonstante Leistungen haben, aber auch bei einigen Deutschen, ist ein Problem. Man kann sagen, das ist der Trainerjob, das hinzubekommen, aber es ist auch der Job der Spieler, eine bestimmte Leistung zu bringen.

Welche Spieler oder welche Positionen meinen Sie?

Darauf will ich nicht genauer eingehen. Andy Hipsher weiß das schon. Und Robert weiß das auch. Er hat mir auch vor einigen Wochen gesagt, vielleicht klappt es mit diesem Spieler nicht.

Haben Sie irgendein Verständnis für die Entlassung?

Sport ist ziemlich einfach: Wenn es nicht läuft, muss irgendeiner schuld sein. Diese Schuld kannst du den Spielern oder dem Trainer geben. Es ist nicht katastrophal gelaufen. Andere Mannschaften würden sich freuen, wenn sie mit acht Siegen dastehen würden. Ich finde, in Deutschland werden mittlerweile die Trainer sehr schnell abserviert. Früher war da die Loyalität größer. Ich bin natürlich enttäuscht. Aber, dass wir zum Beispiel keine Änderung gegen die Zonenverteidigung gemacht haben, stimmt nicht.

Warum war die Zonenverteidigung der Gegner zuletzt mehrmals ein Problem für Ihr Team?

Ich hatte Robert Wintermantel extra einen Videozusammenschnitt geschickt, auf dem man sehen konnte, dass wir gegen Schwenningen fünf verschiedene Dinge gegen die Zone versucht haben. In der ersten Hälfte haben wir noch gut gespielt gegen die Zone. Erst als wir in der zweiten Hälfte nicht mehr getroffen haben, kam die Unsicherheit. Wenn wir die Angriffe durchgezogen haben, wie wir das wollten, haben wir offene Würfe produziert. Aber wenn du nicht triffst, wirst du eben unsicher.

Es war also alles gar nicht so schlecht aus Ihrer Sicht?

Ich glaube immer noch, dass ich mit dieser Mannschaft – und vielleicht einem Spieler mehr – unser Ziel erreicht hätte. Es gab in den fünf Monaten, die ich hier war, vielleicht fünf Trainings, in denen wir richtig schlecht trainiert haben. Das ist nicht oft. Wir haben gegen Ehingen ein sehr konstantes Spiel gemacht mit über 100 Punkten. Gegen Schwenningen war es eine tolle erste Hälfte mit sehr guter Verteidigung und gutem Umschaltspiel. Ich habe schon Zeichen gesehen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Eine Trainerentlassung ist meiner Meinung nach nicht immer die beste fachliche, sondern oft eine emotionale Entscheidung.

Es gab auch gute Zeiten: Der Saisonstart glückte, die Tigers lagen zeitweise klar auf Playoff-Kurs. Bild: Ulmer

Es gab auch gute Zeiten: Der Saisonstart glückte, die Tigers lagen zeitweise klar auf Playoff-Kurs. Bild: Ulmer

Kapitän Enosch Wolf sagt, es habe unüberbrückbare Differenzen zwischen Ihnen und dem Team gegeben. Haben Sie das wahrgenommen?

Ich bin schon ein Trainer, der hart zur Sache geht. Und es ist schwierig für mich, wenn die Leistung nicht stimmt, Spieler immer zu loben. Mir hat das keiner direkt gesagt, aber ich kann mir schon vorstellen, dass der eine oder andere Spieler nicht glücklich mit der Situation war. Aber wenn Spieler sagen, sie sind unsicher, dann liegt das oft an der eigenen Leistung. Genauso wie ich für meine Leistung zuständig bin, sind auch die Spieler für ihre Leistung zuständig. Es ist natürlich mein Job zu versuchen, dass die Spieler eine bessere Leistung bringen. Aber Co-Trainer Andy Hipsher und ich haben viel versucht. Ich habe die Mannschaft jedenfalls noch erreicht. Das habe ich jeden Tag im Training gesehen.

Also war das Band aus Ihrer Sicht nicht zerschnitten?

Ich habe jedem Spieler vor der Saison gesagt, dass ich ein Trainer bin, der schwer zufriedenzustellen ist. Auch wenn man gewinnt, sehe ich immer die Punkte, an denen man weiter arbeiten muss. Das wussten alle. Aber einen Bruch haben weder Andy noch ich gemerkt. Dass der eine oder andere Spieler nicht so gerne Kritik gehört hat, das sieht man. Aber es tut mir leid: Wenn jemand Profi ist, gehört das dazu. Das ist in der Wirtschaft auch so. Wenn jemand immer den gleichen Fehler macht, gibt es auch keine Kuscheleinheit. Ich habe Andy sogar extra angesprochen und gefragt, ob es zu heftig ist. Nein. Er meinte, er hätte sogar mehr erwartet in der einen oder anderen Situation. Aber wenn wir ein oder zwei Spiele mehr gewonnen hätten, würden wir uns heute nicht so lange unterhalten.

Sehen Sie Fehler, die Sie gemacht haben?

Wir machen alle Fehler. Das fängt an bei der Frage: Habe ich den richtigen Kader zusammengestellt für unser Ziel? Ich glaube immer noch: Ja. Vielleicht hätte ich den Risikofaktor mehr minimieren und weniger Profi-Neulinge nehmen sollen. Ich habe zum ersten Mal Ende Oktober, Anfang November gesagt, wir sollten vielleicht überlegen, etwas zu ändern. Aber zu dem Zeitpunkt ist es für den Verein nicht infrage gekommen. Jemand hat mir auch mal gesagt, wir machen zu viel Video-Analyse. Aber wenn wir immer wieder die gleichen Fehler machen, muss man das zeigen. Ein Video lügt nicht. Das war teilweise sehr unangenehm für einige Spieler. Vielleicht hätte ich den einen oder anderen Spieler weniger kritisieren sollen. Aber so bin ich als Typ nicht. Da bin ich vielleicht ein bisschen oldschool und der Meinung, man sollte aus Fehlern lernen.

Ist es ein Generationenproblem, dass Spieler heutzutage solche Kritik nicht mehr ertragen?

Das würde ich nicht sagen. Es gibt auch junge Spieler, die das mehr motiviert hat. Vielleicht ist es mir hier nicht gelungen, zu jedem den richtigen Zugang zu finden, weil ich mit solchen Charakteren bisher noch nicht zusammengearbeitet habe. Ich werde mir da demnächst Zeit nehmen, mich zurücklehnen und überlegen, was ich hätte anders machen können. Auch ich muss aus der Situation lernen.

Douglas Spradley (rechts) und sein Nachfolger Andrew Hipsher, der bisherige Co-Trainer. Bild: Ulmer

Douglas Spradley (rechts) und sein Nachfolger Andrew Hipsher, der bisherige Co-Trainer. Bild: Ulmer

Gab es Gespräche mit Robert Wintermantel, in denen er Ihnen gesagt hat, versuch’ doch mal was anderes?

Ja, ich stand in regelmäßigem Kontakt mit Robert. Er hat nie gesagt, dass mein Job infrage steht. Er hat gesagt, wir müssen sehen, dass wir die Situation verbessern. Aber klar, mit der Erfahrung aus 18 Jahren als Trainer weißt du, das heißt: Du musst mehr gewinnen – oder du bist weg.

Wie finden Sie, dass Ihr bisheriger Assistent Andrew Hipsher nun den Trainerposten übernommen hat?

Andy und ich stehen immer noch in Kontakt. Wir haben trotz der Beurlaubung zusammen Silvester gefeiert. Ich hoffe für ihn, dass er eine ehrliche Chance bekommt und es nicht nur eine Show ist, dass er für ein oder zwei Spiele die Verantwortung trägt, bis ein anderer Trainer da ist. Er ist fachlich sehr gut drauf.

Haben Sie Reaktionen auf Ihre Entlassung bekommen?

Ich habe die eine oder andere Nachricht bekommen von Kollegen und Bekannten. Die haben mir auch mitgeteilt, dass viele nicht einverstanden waren, dass ich gefeuert wurde. Ich habe mich hier in Tübingen sehr wohlgefühlt. Ich möchte mich beim Team, den Leuten im Verein, bei den Fans und Sponsoren und der medizinischen Abteilung bedanken. Es war schön, dass mich die Leute hier in Tübingen so gut aufgenommen haben.

Spradley und Tübingen – das schien zu passen. Der Trainer fuhr mit dem E-Bike durch die Stadt. Bild: Ulmer

Spradley und Tübingen – das schien zu passen. Der Trainer fuhr mit dem E-Bike durch die Stadt. Bild: Ulmer

Douglas Spradleys Karriere als Spieler und Trainer

Geboren ist Douglas Spradley (53) in Tacoma im Bundesstaat Washington im Nordwesten der USA. 1998 tauschte er die US-Staatsbürgerschaft jedoch gegen die deutsche ein. Nach der Zeit am College bei den Gonzaga Bulldogs hatte der einstige Guard seine Profi-Karriere in Amsterdam begonnen, ehe er 1992 nach Paderborn wechselte. Über Braunschweig und Weißenfeld kehrte er nach Paderborn zurück, wo auch seine Trainer-Karriere startete. Bei den Baskets blieb er von 2001 bis 2009. Spradleys Stationen waren anschließend Bremerhaven (2009 bis 2013), Würzburg (2014 bis 2016), Vechta (2017 bis 2018) und zuletzt Tübingen. Die Entlassung bei den Tigers ist nach der in Würzburg die zweite in seiner Karriere.

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Erstellt:
04.01.2020, 04:30 Uhr
Lesedauer: ca. 6min 03sec
zuletzt aktualisiert: 04.01.2020, 04:30 Uhr

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