Schwatz am Metzelplatz

„Fridays for Future“ hat auch Rottenburg erfasst

Am Paul-Klee-Gymnasium und am Sankt-Meinrad-Gymnasium gibt es etliche Aktivitäten zum Klimaschutz. Am nächsten globalen Aktionstag am kommenden Freitag wollen sich auch Rottenburger Jugendliche schulfrei nehmen.

21.05.2019

Von Michael Hahn

Sophie Katz (links) ist Schulsprecherin am Paul-Klee-Gymnasium. Kerstin Hormel (Mitte) geht aufs Sankt-Meinrad-Gymnasium, Janka Deus geht ebenfalls aufs PKG. Alle drei gehen in die Kursstufe 1, also in die elfte Klasse. Bild: Michael Hahn

Sophie Katz (links) ist Schulsprecherin am Paul-Klee-Gymnasium. Kerstin Hormel (Mitte) geht aufs Sankt-Meinrad-Gymnasium, Janka Deus geht ebenfalls aufs PKG. Alle drei gehen in die Kursstufe 1, also in die elfte Klasse. Bild: Michael Hahn

Am kommenden Freitagvormittag werden Janka Deus und Sophie Katz in der ersten Pause ihre Schulsachen zusammen packen und sich aus dem Paul-Klee-Gymnasium verabschieden, ohne Entschuldigung. Mit ihren selbst gemalten Plakaten werden sie im 18er-Bus nach Tübingen fahren: zur großen Klima-Demo „Fridays for Future“. Kerstin Hormel wäre auch so gern dabei. Aber sie muss am Freitagvormittag am Sankt-Meinrad-Gymnasium noch eine Klausur schreiben, die sie nicht verpassen will. So war es auch schon vor zwei Monaten, beim letzten großen Schulstreik.

Für die beiden PKG-Schülerinnen war die große Demo im März eine Premiere. Sie hätten sich ganz „ganz spontan“ dafür entschieden, sagt Janka Deus. Am Tag davor hätten sie noch einige kleine Flugblätter kopiert und an der Schule verteilt, sagt die 17-jährige Rottenburgerin. Die Vorlage dafür holten sie sich aus dem Internet, ebenso wie ihre Plakat-Parole: „The Seas are rising. So are we.“ Also: Der Meeresspiegel erhebt sich. Wir auch.

Etwa 15 PKG-Schüler/innen seien damals gemeinsam nach Tübingen gefahren. „Manche haben es den Lehrern vorher gesagt“, sagt Sophie Katz. Sie selbst ist wortlos gegangen. Eine Ausrede als Entschuldigung abzugeben (etwa: „wegen Kopfweh“), das sei „nicht der Sinn davon“, ist die 16-jährige Nellingsheimerin überzeugt. Janka Deus pflichtet ihrer Mitschülerin bei: Wenn die Klima-Demos nicht mit einem Schulstreik verbunden wären, „dann hätten sie nicht das große Echo“. Ob sie sich am kommenden Freitag schriftlich abmelden wollen, darüber diskutieren die Schülerinnen noch.

Laut Deus hat die PKG-Schulleitung im März betont: Für die Klima-Demo gibt es keine Beurlaubung. Und: „Die Lehrer dürfen kreativ sein bei der Bestrafung.“ Am Ende gab es nicht mal das. An den Rottenburger Schulen hätten die Streikenden im März „nirgendwo richtige Probleme“ bekommen, sagt Kerstin Hormel. Im Gegenteil: Die Fridays-Aktionen hätten die Debatte am SMG beflügelt. Auch im Unterricht, in den unterschiedlichsten Fächern.

Am PKG diskutierten Katz und Deus im Französisch-Unterricht über den Klimawandel. Auf Französisch natürlich. In den Naturwissenschaften sei das Thema schon in der Mittelstufe dran gewesen. Das CO2-Schema in Biologie, zum Beispiel, erinnert sich Sophie Katz und rollt die Augen. Aber, ergänzt Janka Deus: „Der Klimawandel ist nicht nur ein naturwissenschaftliches Problem, sondern auch ein gesellschaftliches.“ Soll heißen: Allein mit technischen Mitteln wird man den globalen Klima-Kollaps nicht mehr aufhalten können. Gefragt sind politische Entscheidungen.

Rottenburger Grundschüler singen den Klima-Song
© Viktoria Herrmann 02:44 min
Klima-Demo: Schüler der Grundschule im Kreuzerfeld sangen am Freitag auf dem Rottenburger Marktplatz den Klima-Song "Do It Now".

Das Thema treibt die Jugendlichen um. „Wir sind die letzte Generation, die den Klimawandel vielleicht noch aufhalten kann“, ist Janka Deus überzeugt. Jeden Tag kommen neue, besorgniserregende Nachrichten. Zuletzt: Das größte Artensterben der Weltgeschichte. So stoßen die drei Schülerinnen ständig auf das Thema. Selbst bei Familienfesten wird über den Klimawandel diskutiert.

Für Kerstin Hormel geht es dabei auch darum, „den eigenen Lebensstil zu reflektieren: Wir müssen bei uns selber anfangen“, sagt die 16-jährige Hailfingerin. Sie habe bisher wenig auf ihre Ernährung geachtet. Fleisch? Vegetarisch? Vegan? Hauptsache: bewusst. Ökologisch betrachtet sei es vielleicht sinnvoller, sagt Hormel, „die Kuh vom Nachbarn zu essen als etwas Veganes aus Südamerika“. Neulich war fleischfreie Woche in der SMG-Mensa. Das sei nicht vorrangig als religiöse Fastenaktion begründet gewesen, sondern mit dem „ökologischen Fußabdruck“. Und am PKG gab es eine Kleidertausch-Party.

Und dann: der Verkehr. Manche von Hormels Mitschüler/innen können es kaum erwarten, endlich den Führerschein zu machen. „Von da an fahren sie dann jeden Tag mit dem Auto zur Schule. Das würde ich nie machen.“ Aber auch da wächst das Bewusstsein. Neulich habe ein Mitschüler, „der selbst drei mal im Jahr in den Urlaub fliegt“, eingeräumt, er finde die Fridays-Demos ja gut, aber käme sich komisch vor, wenn er da mitlaufen würde – bei seinem Lebensstil. Richtig angefeindet oder verspottet worden seien sie wegen ihres Klima-Engagements jedenfalls noch nie, sagen alle drei Mädchen.

Und warum organisieren die Schülerinnen keine Fridays-Aktionen in Rottenburg? „Wir wollen den Tübingern nicht die Leute klauen“, sagt Hormel. Die riesige Demo dort sei schon ein Erlebnis – und ein starkes Signal. Ihre Klausur müsste um 11 Uhr beendet sein. Vielleicht wird sie dann doch noch los flitzen, nach Tübingen. Ohne Entschuldigung. Aber vielleicht tut sich ja bis dahin auch in Rottenburg noch etwas.

10.07.2017 Fridaysforfuture Demo in Tübingen
© Tobias Faißt 02:09 min

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Erstellt:
21.05.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 09sec
zuletzt aktualisiert: 21.05.2019, 01:00 Uhr

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