In der Juhe ist es weniger spießig als im Hotel

Freundliche Atmosphäre für kleines Geld: Was Touristen an der Tübinger Jugendherberge schätzen

Hotels, Ferienwohnungen, Campingplätze: Es gibt viele Möglichkeiten, in einer fremden Stadt für einige Tage unterzukommen. Woran viele nicht denken: Auch Jugendherbergen sind eine Option – und das nicht nur für junge Leute. Wir fragten Gäste der Tübinger „Juhe“ nach den Gründen für ihre Wahl.

21.08.2016

Von Philipp Koebnik

Tübingen. Die Sonne scheint, eine leichte Brise weht und von weiter weg sind die Stimmen der Stocherkahn-Fahrer zu hören. Vier junge Frauen aus dem badischen Laufen sitzen entspannt auf der großen Terrasse der Tübinger Jugendherberge und unterhalten sich über dieses und jenes. „Wir machen eine Rundreise von Stuttgart über Tübingen bis Friedrichshafen“, sagen sie. Mit dem Baden-Württemberg-Ticket sei eine solche Städte-Tour ganz praktisch – und bezahlbar.

Die Sorge um den Geldbeutel war auch das ausschlaggebende Argument, von Jugendherberge zu Jugendherberge zu ziehen. „Als Schüler können wir uns nichts anderes leisten“, sagt Sandra Steinhöfel. Sie ist 16 Jahre alt, wie auch die anderen Schülerinnen. Nach Tübingen sind sie tags zuvor gekommen. Das Schloss und die Altstadt haben sie sich angeschaut, abends waren sie was trinken.

Abgesehen vom Preis – was spricht noch für Jugendherbergen? „Sie sind meistens zentrumsnah und haben, so wie hier in Tübingen, eine gute Verkehrsanbindung“, sagt Lara Brandstetter. „Die Zimmer hier sind schön groß im Vergleich zu der Stuttgarter Jugendherberge, in der wir waren“, findet Laura Amann. Steinhöfel gefällt außerdem, dass es Einzelduschen in den Zimmern gibt. Im Vergleich zu Stuttgart gebe es jedoch einen Nachteil: „Während man dort kommen kann, wann man will, müssen wir hier bis spätestens 23 Uhr zurückkommen.“ Kein unwichtiger Aspekt für junge Leute, die sich Städte angucken und dabei auch mal feiern gehen wollen.

„Gut finde ich, dass es hier so viele Spiele und Bücher gibt“, sagt Kornelia Almassi und zeigt auf einen vollen Schrank im kleinen Aufenthaltsraum. Die Bonnerin war von Montag bis Samstag in Tübingen. Sie hatte sich für eines der Komplett-Angebote entschieden, die das Deutschen Jugendherbergswerk (DJH) anbietet: „Das bedeutet Vollpension in der Herberge und Gutscheine für verschiedene Aktivitäten, darunter eine Führung durch die Altstadt, eine Stocherkahn-Fahrt und ein Ausflug zur Burg Hohenzollern.“

Für Tübingen habe sie sich entschieden, weil die Stadt so „einen guten Ruf“ habe. Und nun, da sie die Neckarstadt mit ihren vielen Studierenden erlebt habe, sei sie erst recht begeistert. „Ein tolles Konzept – und dank des schönen Wetters habe ich alle Angebote genutzt“, so Almassi, die im Beruf verhaltensauffällige Jugendliche und Menschen mit Behinderung in Ausbildung oder Arbeit vermittelt.

In Jugendherbergen ist sie schon oft untergekommen. So im vergangenen Jahr, als sie mit ihrer Tochter eine Rundreise durch Norddeutschland unternahm. „Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist in der Regel gut“, findet Almassi. „Und es ist ja nicht mehr so wie früher, als man noch zum Treppenfegen und ähnlichem verpflichtet wurde“, sagt sie schmunzelnd. Außerdem sei man vom Wetter unabhängig – ein Vorteil gegenüber dem Camping. „Die Herbergen sind meistens ordentlich und gepflegt, die Leute sind freundlich und man kann rumlümmeln.“ In Hotels herrsche dagegen oftmals eine eher spießige Atmosphäre.

Aller genannten Vorzüge zum Trotz ist die Tübinger Herberge derzeit nur schwach ausgelastet. „Ich wundere mich, dass es so leer ist“, sagt Almassi. Familie Müller aus Euerbach bei Schweinfurt, zurzeit auf Rundreise durch Südwestdeutschland, kann das ebenfalls nicht verstehen. Warum sie sich für diese Unterkunft entschieden haben? „Einmal ist es eine Preisfrage“, sagt Mutter Sonja. „Außerdem geht es in Hotels steifer zu, hier hat man mehr Raum.“ Allerdings ist das Ganze neu für sie. „Wir haben mitgekriegt, dass Jugendherbergen durchaus modern sind.“ Da Sohn Lukas im Rollstuhl sitzt, haben sich die Eltern darüber informiert, welche Herbergen barrierefrei sind. Der Praxis-Test hat die Familie überzeugt: „Das eröffnet uns eine neue Welt an Möglichkeiten“, freut sich die Mutter.

Wiederum ein ganz anderes Motiv hat Daniel Tjarks. Der 20-Jährige aus der Nähe von Köln hat Tübingen übers Wochenende besucht, um Vorstellungsgespräche für einen WG-Platz zu führen – er studiert ab Oktober in der Neckarstadt. Auch um Freunde innerhalb Deutschlands zu besuchen, hat er schon oft Jugendherbergen genutzt. Zur Begründung reichen wenige Worte: „Der Preis ist gut und das Essen lecker.“

Herbergen – nicht nur für Jugendliche

Als Jugendherbergen im eigentlichen Sinne gelten in Deutschland die 488 Unterkünfte des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH), einem gemeinnützigen Verein. International ist die englische Bezeichnung Youth Hostel üblich. Einrichtungen, die einer Jugendherberge ähnlich sind, aber keinem Landesverband des internationalen Jugendherbergsverbandes angehören, werden weltweit als Hostel bezeichnet. Jugendherbergen entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland im Zuge der Jugendbewegung als Unterkünfte für junge Menschen, Jugendgruppen und Schulklassen. Heute dürfen auch Erwachsene dort übernachten, allerdings darf generell nur Jugendherbergen nutzen, wer Mitglied im DJH ist. Aktuell hat der Verband 2,4 Millionen Mitglieder.